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Von – 1. November 2004

Sünder kommen in den Himmel

„Wenn du immer schön artig bist, kommst du in den Himmel!“ Kaum ein Satz führt weiter weg vom Paradies als dieser. Er leistet Beihilfe zum Selbstbetrug. Denn wirklich gerecht ist nur, wer in jeder Hinsicht stets allen gerecht geworden ist. Und wer auch vor Gott ein vollkommener Mensch gewesen und seinem Auftrag in der Schöpfung nachgekommen ist. Niemand kann das von sich behaupten. Alles gerechte Handeln macht noch keinen Gerechten. Theologisch gesprochen: Der Mensch bleibt immer ein Sünder.

Dadurch hat er ein doppeltes Problem: Er sorgt in der Welt für Unbehagen und Chaos. Und wenn es gerecht ist, dass er bekommt, was er verdient, dann kann er bei Gott nur mit Unheil rechnen. Martin Luther konnte diese Erkenntnis nicht mit dem Evangelium von der Gnade Gottes vereinbaren, bis er entdeckte: Gott stellt nicht überall in der Bibel die vom Menschen erbrachte Gerechtigkeit fest, um daran ein Urteil zu knüpfen. Es gibt auch die Gerechtigkeit, die von Gott ausgeht und dem Sünder wie ein Geschenk zugesprochen wird: „Du bist mir trotz deiner fehlenden Gerechtigkeit recht!“ Das wurde zum Kernpunkt der reformatorischen Lehre.

Statt „Jeder bekommt, was er verdient“ also: „Jeder bekommt, was er braucht.“ Statt richtender Gerechtigkeit annehmende Liebe – ähnlich wie bei einer Adoption: Wie das Kind keine Ansprüche gegenüber dem adoptionswilligen Paar besitzt, kann der Sünder von sich aus nie in Gottes Gemeinschaft kommen. Wie das genetisch Fremde zum Kind erklärt wird, so erklärt Gott den Sünder zum Gerechten. Wie das Kind damit zu seinen neuen Eltern gehört, so der Sünder zu Gott: gerecht, heilig und rein wie Christus selbst. Und wie das Kind durch die Adoption keine neuen Gene erhält, so mangelt es dem Sünder weiterhin an eigener Gerechtigkeit. Er wird durch die ihm wie ein Kleidungsstück übergestreifte Gerechtigkeit nicht innerlich erneuert oder heilig gemacht. Aber sie eröffnet ihm dennoch den Zugang zum Himmel.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. November 2004 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.