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Von – 1. Januar 2005

Judas tat, was Gott schon wusste

Sein Name ist zum Schimpfwort geworden: Judas, der Verräter. Vielleicht war er das wirklich und handelte aus Geldgier. Oder er war enttäuscht, weil Jesus nicht der erhoffte Befreier war. Vielleicht wollte er auch nur ein klärendes Gespräch mit den Hohepriestern vermitteln, das dann unerwartet mit einer Anklage gegen Jesus wegen Gotteslästerung endete. Was immer Judas bewegt hat, den Aufenthaltsort Jesu preiszugeben: Seine Handlung führte letztlich zu dessen Tod. Und er wurde mit der Provision von dreißig Silberlingen, dem Monatslohn eines Handwerkers, nicht glücklich. Er gab das Geld zurück und erhängte sich.

Judas Iskariot, der unglückselige Jünger, spiegelt in der Überlieferung als Verräter die Verblendung der Welt, die sich Jesu Botschaft der Liebe schuldhaft verweigert. Zugleich ist aber sein Verrat die Voraussetzung dafür, dass Gottes Plan in Erfüllung geht: Jesus soll sterben, damit die Menschen nicht das bekommen, was sie verdienen, sondern das ewige Leben. Ist Judas also nur eine Marionette am Spielkreuz Gottes? Dann lenkt Gott als Allmächtiger alles Geschehen, und wir sind machtlose Objekte in seiner Hand – keine sympathische Vorstellung. Oder handelt Judas ganz frei und aus eigenem Antrieb? Dann ist Gott nur ohnmächtiger Zuschauer – was nicht zu ihm passt.

Der Ausweg aus diesem Dilemma heißt: Es gibt eine Kombination von göttlicher Vorsehung und menschlicher Freiheit. Judas trifft seine Entscheidungen frei. Er kann sich für Jesus entscheiden oder gegen ihn. Die Hohepriester können sein Angebot annehmen oder nicht. Sie können sich von Jesus überzeugen lassen oder ihn wegen Gotteslästerung anklagen. Doch weil Gott tatsächlich Allwissen und Allmacht hat, kennt er die Entscheidungen der Menschen längst und kalkuliert sie ein. So läuft alles unaufhaltsam auf das von ihm vorherbestimmte Ziel zu. Gott führt keine Marionetten – und lenkt doch jeden. Auch die, die nicht daran glauben.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Januar 2005 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.