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Aktuell

1. November 2006

Jeder zweite will nicht Soldat werden

„Sie gehen mit Ihrer Freundin durch den Park, und plötzlich wird sie überfallen. Zufällig tragen Sie eine Waffe bei sich. Was tun Sie?“ – inquisitorische Fragen dieser Art, wie sie Kriegsdienstverweigerern noch bis 1984 gestellt wurden, sind heute Geschichte. Mittlerweile wird Kriegsdienstverweigerern nicht nur ein individuelles Notwehrrecht zugestanden, es ist auch immer einfacher geworden, nicht Soldat zu werden. Seit 2003 gilt ein schriftliches Prüfungsverfahren, in dem man die Verweigerung aber immer noch begründen muss.

„Etwa die Hälfte jedes Jahrgangs will nicht zur Bundeswehr gehen“, weiß Pfarrer Hans-Michael Germer, Beauftragter für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. „Viele dieser jungen Männer fragen sich, warum sie überhaupt noch sagen müssen, dass sie niemanden töten wollen, so selbstverständlich finden sie das.“ Trotzdem darf man die schriftliche Begründung nicht auf die leichte Schulter nehmen: Fällt sie zu dürftig aus, kann ein Antrag durchaus abgelehnt werden.

Benno Mayer, Gemeindepädagoge der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Niederrad, berät angehende Kriegsdienstverweigerer in Frankfurt seit vielen Jahren. Er empfiehlt, nicht etwa Pro und Kontra abzuwägen, sondern ganz subjektiv zu argumentieren. Folgende Fragen könnten dabei helfen: Warum will ich nicht Soldat werden? Was habe ich gegen Krieg? Wie sollten Konflikte meiner Meinung nach gelöst werden?

Den Kriegsdienst zu verweigern, ist in Deutschland ein Grundrecht: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“, heißt es in Artikel 4, Absatz 3 der Verfassung. Die „Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer“ (EAK), die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert, setzt sich dafür ein, dass die Regeln gelockert werden. Pfarrer Germer: „Wir fragen uns, warum man alle anderen Grundrechte einfach hat, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aber immer noch beantragen muss.“ Kontakt: Pfarrer Hans-Michael Germer, Telefon 97651855, Benno Mayer, Telefon 6663365.

Stephanie von Selchow

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. November 2006 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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