Feste wie Weihnachten unterbrechen den Alltag. Sie sind stimmungsvolle Höhepunkte im Lauf des Jahres. Menschen brauchen solche Feierlichkeiten. Sie deuten die menschliche Existenz, sie bewahren Erinnerungen im Gedächtnis und stiften Sinn.
Als ich die Kinder eines dritten Schuljahres fragte: „Worauf freut Ihr euch, wenn Ihr an Weihnachten denkt?“ staunte ich über die Antworten. Neben den sehnsüchtig erwarteten Geschenken freuen sich die Kinder darauf, mit der Familie zusammen zu sein, auf das gute Essen, auf die Besuche, die geschmückte Wohnung, den Christbaum und das Krippenspiel in der Kirche. In den Antworten der Kinder finden sich die wesentlichen Elemente wieder, die für viele Menschen mit dem Weihnachtsfest verbunden sind. Sie erwarten gespannt ein Ereignis, das sich in den vielen Adventsbräuchen schon zu Beginn des Monats Dezember deutlich ankündigt.
Feste heben sich von den anderen Tagen des Jahres ab. Bräuche und Rituale prägen die Feierlichkeiten, Menschen kommen zusammen und feiern miteinander. Feste sind immer sinnlich. Man kann jedes Fest sehen, hören, riechen, schmecken und anfassen. Lichterketten, Weihnachtsgebäck, Räucherstäbchen und Harfengesang berauschen schon vor Festbeginn die Sinne. Adventskalender geben den Kindern ein Maß dafür, wie viel Zeit noch aussteht, bis es soweit ist. Das geschäftige Treiben, die Einkäufe, das Schmücken der Wohnungen, die zahlreichen Adventsfeiern in Büros und Vereinen – all das gehört zum Advent dazu. Allerdings ist da manchmal schon nicht mehr zu unterscheiden, ob das Fest noch aussteht oder ob es schon begonnen hat.
Das Weihnachtsfest hat eine bestimmte Zeit. Dass wir nicht jederzeit Weihnachten feiern können, sondern auf das Fest warten müssen – dies ist die Bedeutung des Wortes „Advent“ – macht das Fest selbst erst zu einem nicht belie bigen Ereignis. Das Warten, der Advent also, spiegelt zudem eine menschliche Grunderfahrung wieder: Es ist noch nicht alles erfüllt, wonach Menschen sich sehnen.
Die Einstimmung auf das Weihnachtsfest gelingt, wenn im Vorfeld die Balance zwischen Aktivität und Besinnung stimmt. Manchmal reichen schon konzentrierte zehn Minuten, in denen man einen Text liest, ein Gebet spricht oder Ruhe findet. Je besser die Vorbereitung ist, desto besser wird dann auch das Fest selbst. Dabei kommt es nicht darauf an, alles minutiös zu planen. Weniger ist oft mehr, und eine gemeinsame Vorbereitung verteilt die Lasten. Bräuche geben eine Orientierung für den Festablauf: Die geschmückte Wohnung, der Christbaum, der Besuch eines Gottesdienstes, die Bescherung, ein Festessen, Familienbesuche oder Mahlzeiten im Freundeskreis gehören dazu.
Allerdings sind solche Bräuche nichts Feststehendes, sondern veränderbar und ja auch je nach Region ganz unterschiedlich. So führte zum Beispiel Martin Luther die Bescherung mit Geschenken an Heiligabend ein. Ihm ging es darum, dass die Geschenke für die Kinder an Weihnachten vom „Heiligen Christ“ überreicht werden sollten – und nicht vom Nikolaus, wie damals üblich. Heute ist es nicht mehr allein das „Christkind“, sondern der religiös eher neutrale Weihnachtsmann, der auch nicht-christliche Kinder im Dezember beschenkt.
Doch was wäre Weihnachten ohne die Weihnachtsgeschichte, ohne die Geschichte von Jesu Geburt? Erst mit dieser Geschichte von der Menschwerdung Gottes berührt das Fest die Herzen und Seelen. Mit Weihnachten wird die Erinnerung bewahrt und an die nächste Generation weiter gegeben. Kinder erleben sich im Krippenspiel als ein Teil dieser Geschichte, die von der Liebe Gottes zu den Menschen erzählt. Dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, ist Gottes Geschenk an uns alle. Dieses Geschenk anzunehmen heißt auch, offen zu sein für das, was kommt, nicht alles genau durchzuplanen, sondern Raum zu lassen – auch für Überraschungen.
Ulrike Hofmann