Zum ersten Mal sind älteste Bibel-Handschriften im Original zu sehen
1930 in der Nähe der Oase Fayum am Nil: Beschriebene Papyrusblätter wer den in Tonkrügen auf einem koptischen Friedhof gefunden – ein Stück aus dem Matthäusevangelium, in griechischer Sprache. Rasch gelangen die Funde, die sich im ägyptischen Wüstensand bestens konserviert haben, nach Kairo. Dort werden sie im Antikenhandel angeboten. Hauptkäufer ist der englische Sir Alfred Chester Beatty, der gerade durch Ägypten reist.
Der „Chester Beatty“ ist das Prunkstück der Ausstellung „Alles Echt“, die jetzt im Frankfurter Erlebnismuseum Bibelhaus zu sehen ist: Das im Jahr 250 beschriebene Papyrus-Fragment ist der älteste bekannte Beleg eines Evangeliumstextes. „Ein früheres Zeugnis ist bis jetzt noch nicht gefunden worden“, sagt Museumsleiter Jürgen Schefzyk fast ehrfürchtig. „Näher kommt man kaum an das Leben von Jesus heran.“
Eine ganze Reihe von frühesten Bibel-Belegen stammt aus Ägypten, das neben Syrien zu den Zentren der frühen Christenheit gehörte. Schon bald nach Jesu Tod wurden dort Texte, die in der Jesusbewegung entstanden waren, abgeschrieben, übersetzt und in den christlichen Gemeinden verbreitet. Zum ersten Mal in Deutsch land werden diese auf Papyrus oder Pergament aufgezeichneten Texte nun im Original ausgestellt. „Die Bibel“, sagt Schefzyk, „ist ja nicht vom Himmel gefallen. Das Christentum ist eine Schriftreligion, und ich halte es für unsere Pflicht, der Öffentlichkeit die ältesten bekannten Zeugnisse zugänglich zu machen.
Das im Jahr 2003 gegründete „Erlebnismuseum“ zieht mittlerweile weit mehr Besucherinnen und Besucher an als ursprünglich geplant: Rund 25000 Menschen pro Jahr wollen die Bibel „erleben“, darunter viele Schulklassen. Deshalb das Museum kürzlich zusätzliche Kellerräume angemietet. Anders als in den oberen Räumen, wo man fast alle Exponate anfassen und sinnlich erleben kann, wurde der Keller als „Hochsicherheitstrakt“ eingerichtet, damit dort wertvolle Exponate wie diese Papyri ausgestellt werden können.
Wer sich die insgesamt 72 Objekte der Ausstellung – Papyri, Pergamente und Tonscherben – erschließen möchte, kann entweder eine Führung mitmachen oder einen elektronischen Museumsführer ausleihen. Denn „Alles Echt“ wird umso interessanter, je mehr Hintergründe und Details man weiß. Ein fast leeres Bücherregal, die „Bibliothek der Leerstellen“, macht sichtbar, wie wertvoll die gezeigten Handschriften sind: Der größte Teil alt-christlicher Dokumente existiert heute nicht mehr. Manche der mit Bibelsprüchen, Psalmen oder Engel namen beschriebenen Papyri dokumentieren den Übergang vom Heiden- zum Christentum, denn sie wurden als Schutzamulette um den Hals gehängt, manche enthalten auch noch das Zeichen des ägyptischen Sonnengottes. Ab dem dritten Jahrhundert setzte die Christianisierung in den Schulen ein, wie einige Schulheft-Papyri zeigen, in denen es sogar Strichmännchen gibt.
Wer möchte, kann auch selbst aktiv werden: Zum Beispiel einen Papyrus beschreiben oder ein Schutz-Amulett herstellen und
bearbeiten, mit antikem Werkzeug und unter der Anleitung eines erfahrenen Goldschmiedes. Die Ausstellung „Alles Echt“ ist noch bis zum 20. April 2007 im Bibelmuseum, Metzlerstraße 19, zu sehen. Mehr Informationen unter www.bibelhaus-frankfurt.de.
Stephanie von Selchow