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Aktuell

1. Februar 2007

Wenn die Hochzeit zum „Event“ wird

Für viele Menschen ist die kirchliche Trauung ein wichtiges „Event“ in ihrem Leben. Darf es die Hochzeit im Fußballstadion sein? Oder im Heißluftballon? In der Kirche gehen die Meinungen auseinander.

Sie war 22, er 24. Sie war Vollwaise, seine Eltern kümmerten sich kaum um ihren Sohn. Fast jede freie Minute verbrachte das Paar mit den anderen Fans ihres Football-Vereins. Beide wünschten sich nichts sehnlicher, als vor einem Spiel ihres Clubs auf der Tribüne des Frankfurter Waldstadions getraut zu werden.

Besonderer Pfiff oder Inszenierung? Dieses Brautpaar bestieg zur Hochzeit ein Karussell. | Foto: epd-Bild

Besonderer Pfiff oder Inszenierung? Dieses Brautpaar bestieg zur Hochzeit ein Karussell.
Foto: epd-Bild

Pfarrerin Ksenija Auksutat ließ sich überzeugen: „Diesem Paar war es einfach zu gönnen, dass sie einmal im Leben so richtig im Mittelpunkt stehen, von allen umgeben, die sie würdigen. Selbstverständlich in einem öffentlichen Gottesdienst, wie es in der kirchlichen Lebensordnung steht. Und was für eine missionarische Gelegenheit: Das Vaterunser gemeinsam mit fünftausend Leuten zu beten!“ Doch der zuständige Dekan legte sein Veto gegen die Hochzeit im Stadion ein. Und auch die damalige Pröpstin Helga Trösken befand, die evangelische Kirche sei keine „Eventkirche“.

Manche Paare möchten an ihrem Lieblings-Urlaubsort, etwa in Mallorca oder Sizilien, getraut werden. Andere wollen sich unter einem Nussbaum oder im Heißluftballon das Jawort geben, und am liebsten an „runden“ Daten wie dem 7.7.2007. „Natürlich muss man immer heraushören, was hinter so einem Wunsch steht“, sagt Christoph Busch, früher Pfarrer in Bockenheim und mittlerweile im Ruhestand. „Aber zuviel Brimbo­ rium nach Fernsehvorbildern kommt mir unehrlich vor. Ein Pfarrer ist ja auch kein Pflanzenkübel in einer Inszenierung.“

Auch Gabriele Scherle, die neue Pröpstin für Rhein-Main, wirbt dafür, dass Trauungen in der Kirche stattfinden. „Nur dort wird hinreichend deutlich, dass das Paar wirklich im Mittelpunkt steht: vor Gott und der Gemeinde, den Menschen, die sie würdigen. Die Kirche als Raum bezeichnet die Grenze zwischen heilig und profan. Deshalb ist sie der Ort für dieses einmalige Ereignis. Demgegenüber sind andere Orte in der Gefahr, vordergründige Inszenierungen hervorzubringen. Sie können nicht das Kraftfeld des Kirchenraums ersetzen, der geprägt ist von Gebeten und Liedern, erfüllt von Schmerz und Freude. Wer den Menschen einen unvergleichlich schönen Tag bereiten will, sollte darauf nicht verzichten.“

Zumal es ja auch innerhalb des kirchlichen Rahmens viele Möglichkeiten gibt, den „schönsten Tag des Lebens“ zu gestalten. Ein Paar kann sich eine besondere Hochzeitskirche aussuchen – in Frankfurt etwa bieten sich die kleine Barockkirche in Unterliederbach, die Emmauskirche in Alt-Eschersheim oder die Alte Nikolaikirche auf dem Römerberg an. Vor dem Traualtar versprechen sich Braut und Bräutigam dann, im Vertrauen auf Gottes Hilfe in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten. Und das ist ja wohl das eigentliche „Event“.

Stephanie von Selchow

Darf man heiraten, wo man will?

Marie Fanger (25), Studentin

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Für mich kommt nichts anderes in Frage, als in der Kirche zu heiraten. Es geht doch um Ehe und nicht um Party, das heißt, die kirchliche Trauung und die Feier muss man trennen! Und wenn man sich als Paar vor Gott „outet“, kann man das doch auch „bei ihm zu Hause“ machen. Neulich habe ich allerdings eine Hochzeit am Strand miterlebt. Sie war Spanierin, er Amerikaner. Sie wurden von einem Pfarrer in einem richtigen Gottesdienst unter einem Baldachin getraut. Das war auch sehr stilvoll und schön, so in der Natur. Für manche mag das stimmen. Aber ich fände es wirklich wunderschön, in der Kirche zu heiraten. Und zwar am liebsten in der alten roten Backsteinkirche in Norddeutschland, in der schon meine Eltern und Großeltern getraut wurden. Außerdem: Mein jetziger Freund ist katholisch. Das ist doch schon kompliziert genug.

Jürgen Lehwalder (44), Pfarrer

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Eines meiner Gemeindemitglieder kommt aus Utrecht und möchte, dass ich sie in Holland traue. So etwas mache ich natürlich gerne, wenn ich es zeitlich einrichten kann. Ich fahre auch in den Rheingau oder an andere Orte. Aber es herrscht da auch eine Menge Anpassungsdruck. Die Hochzeit soll jeglichen Rahmen sprengen, und die Leute versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Und wenn wir Pfarrer nicht alles mitmachen, heißt es schnell: „Dann fragen wir eben jemand anderes.“ Ich bin nicht dafür, jeden Wunsch zu erfüllen, auch wenn man im Einzelfall immer reden muss. Es heißt aber doch „kirchliche“ Trauung, und deshalb sollte sie auch in einem Kirchengebäude stattfinden. Die Johanniskirche in Bornheim, wo ich Pfarrer bin, ist 220 Jahre

alt und atmet die Wünsche, Sehnsüchte und Gebete von Generationen. Das kann man doch gar nicht ersetzen.

Sonja Burg (37) Verlagsmitarbeiterin

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Wenn die Leute das möchten, warum nicht? Man kann ja den Traugottesdiensts mitgestalten, warum soll dann das Hochzeits­ paar nicht auch den Ort bestimmen dürfen? Eine Freundin von mir hat neulich sogar im Heißluftballon geheiratet – allerdings nicht mit christlichem Pfarrer. Die meisten Menschen haben heute ja mit der Kirche ohnehin nichts mehr am Hut. Außerdem ist in der evangelischen Kirche die Hochzeit doch gar kein Sakrament. Es geht um den Segen Gottes für die Ehe, und dafür braucht man nicht unbedingt ein Kirchendach über sich. Vielleicht gibt es einen Ort, der einem viel bedeutet, weil man sich da zum ersten Mal getroffen hat oder einander die Ehe versprochen hat. Dann kann das doch stimmig sein. Bei einer Taufe lege ich aber schon Wert auf eine Kirche: Dieser erste Bund mit Gott sollte in einem sakralen Raum geschlossen werden.

Martin Schäfer (44), technischer Vetriebsleiter

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Kirchliche Trauung: Wie der Begriff schon sagt, ist die Kirche einfach der logische Ort dafür. Außerdem bin ich jemand, der Traditionen eher positiv einordnet, und wäre nicht auf die Idee gekommen, mir für die Hochzeit etwas anderes zu suchen. Theoretisch ist es aber natürlich auch möglich, sich die Ehe vor Gott und den Mitmenschen woanders zu versprechen. Mitmenschen: Das ist heute ja nur noch in den seltensten Fällen die Gemeinde. Für einige sind es die Freunde aus dem Sportclub oder aus dem Orchester oder sonst einer Gemeinschaft, mit der man gerne zusammen ist. Und die möchte man vielleicht an anderen Orten versammeln als in einer Kirche. Für viele ist auch die Natur der Inbegriff von Gottes Werk: Die möchten dann vielleicht im Wald heiraten. Das habe ich sogar einmal erlebt – im Schwarzwald. Und das war eigentlich schon sehr schön.

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Februar 2007 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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