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Aktuell

1. April 2007

Jahrelanges Warten

Diskussion über das neue Bleiberecht

Fünf Minuten kann die junge Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien erzählen, wie das ist, wenn man nur geduldet wird. Doch dann fließen die Tränen, versagt ihre Stimme. „Immer wieder haben wir gepackte Koffer zu Hause, und jeden Morgen gehen wir wieder in die Schule, wir wollen hier doch Abitur machen“, fährt ihre Schwester fort. Seit 14 Jahren lebt die sechsköpfige Familie in Frankfurt, auch die Schule hat schon Petitionen geschrieben. Jetzt hoffen alle auf das neue Bleiberecht.

„Duldung“ heißt der Aufenthaltsstatus für Ausländer und Ausländerinnen, die Deutschland eigentlich verlassen müssen, aber noch eine Weile bleiben dürfen. Daraus können Jahre werden. Jahre in einer Schattenwelt, ohne Perspektive, ohne richtigen Job. Diese Menschen können nicht abgeschoben werden, weil sie krank sind oder im Herkunftsland Folter droht, aber sie dürfen sich auch nicht in Deutschland integrieren. Knapp 200000 Geduldete leben in Deutschland, in Hessen sind es etwa 15000. Für manche von ihnen soll sich nun etwas ändern: Im November einigte sich die Innenministerkonferenz auf eine Regelung zum Bleiberecht, die große Koalition verabschiedete Richtlinien zu ihrer Umsetzung. Aus diesem Anlass hatten der Evangelische Regionalverband und das Diakonische Werk zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Duldung ohne Ende?“ eingeladen.

Die neue Bleiberechtsregelung sieht vor, dass Familien nach sechs, Alleinstehende nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland bleiben dürfen, sofern sie eine Arbeit haben. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt bedeute das eine Lösung für nur einen Teil der Betroffenen, kritisierten Ver­ treterinnen und Vertreter von Beratungsstellen. Vor allem aber wiesen sie darauf hin, dass minderjährige, kranke oder alte Menschen, also alle, die nicht arbeiten können, grundsätzlich kein Bleiberecht bekommen sollen. Andreas Lipsch, interkultureller Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, wies zudem auf Fälle hin, wo Ausländerbehörden Flüchtlinge nur unzureichend berieten.

Der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Veit (SPD) sprach von einem „Minimalkonsens“, der etwa zehn Prozent der Geduldeten betreffe. Seine Kollegin Kristina Köhler (CDU) wies darauf hin, dass es auch einfache Fälle gebe, wenn Menschen wirtschaftlich und sozial integriert sind. „Auch dieses Land hat Grenzen, was die Integration angeht, besonders, wenn es Geld kostet“, betonte die Politikerin. Der hessische Land­ tags­ abgeordnete Jürgen Frömmrich (Bündnis 90 / Die Grünen) prophezeite: „Wir werden viel Ungerechtigkeit erzeugen.“

Pfarrer Jürgen Mattis erinnerte an die jüdisch-christliche Tradition im Umgang mit Fremden: „Sie sollen nicht bedrückt werden,

sondern zu ihrem Recht kommen.“ Kettenduldungen seien deshalb inhuman.

Gunda Höppner

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. April 2007 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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