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Aktuell

1. Juli 2007

Minarette in der Skyline

p(einleitung). Frankfurt braucht schöne Moscheen – davon ist der Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten, Jean Claude Diallo, überzeugt. Diallos Überlegung sorgte am Main für Aufregung.

!(rechts)2007/07/seite04_oben.jpg(Die meisten Moscheen in Frankfurt sind klein und unauffällig – hier die Al Falah-Moschee in Ginnheim. | Foto: Rolf Oeser)!

Noch höher schlagen zur Zeit die Wogen am Rhein. In Köln wird eine große repräsentative Moschee für 2000 Gläubige gebaut. Die Vorstellung, dass auch Frankfurts Skyline bald nicht nur von Hochhausriesen und den sich darunter duckenden Kirchtürmen geprägt sein könnte, sondern sich auch das ein oder andere Minarett zum Himmel streckt, ist noch gewöhnungsbedürftig – aber konsequent. Denn der Islam ist längst in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen, auch wenn das weitgehend unbemerkt geblieben ist. So unbemerkt wie die ein oder andere Moschee im Industriegebiet oder im ehemaligen Edeka-Markt. Mit einem Moschee-Bau wie dem in Köln würde sichtbar, dass es eine Vielzahl von Religionen in der Stadt gibt. Und so wie die Synagoge zum Stadtbild gehört, so gehört auch die Moschee dazu. Schließlich garantiert das Grundgesetz die freie Religionsausübung.

Die kritische Auseinandersetzung mit dem Islam muss nach Auffassung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an anderer Stelle geführt werden: Kulturelle Phänomene wie Zwangsheirat, Ehrenmorde oder Genitalverstümmelung müssten im Dialog „nachhaltig“ benannt werden, so eine Stellungnahme. Ebenso sei die grundgesetzlich garantierte Gleichstellung von Mann und Frau nicht verhandelbar. Und eines ist der evangelischen Kirche noch wichtig: die freie Wahl der Religion. Der christliche Missionsauftrag sei grundsätzlich an alle Menschen gerichtet, auch an Muslime. Wenn sich Muslime, die zum Christentum übertreten, dadurch Anfeindungen oder gar Gefahren aussetzen, widerspreche das der freien Religionsausübung.

!(kasten)2007/07/seite01_oben.jpg(Eine Moschee mit Kuppel und Minarett – hier die Abu Bakr Moschee in Hausen, wie man sie von der A 66 aus sieht – ist im Frankfurter Stadtbild bisher eine Seltenheit. Die meisten der rund 35 Frankfurter Moscheen sind eher unscheinbar in Hinterhöfen oder Industriegebieten untergebracht. | Foto: Rolf Oeser)!

Auch die These, dass der Islam von seinem Wesen her keine Religion, sondern eine religiös begründete Gesellschaftsordnung mit Anspruch auf universale Geltung sei, müsse ausgesprochen werden können, „ohne beschuldigt zu werden, Angst machen zu wollen“, so die EKD. Doch am Dialog führe kein Weg vorbei. „Das Sachgespräch ist entscheidend. In alle Begegnungen sollte mit einem Vertrauensvorschuss hineingegangen werden, den wir selbst auch von dem Gegenüber erwarten.“

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

h2. Braucht Frankfurt schöne Moscheen?

h3. Kornelia Siedlaczek (47), Referentin in der katholischen Erwachsenenbildung

!(rechts)2007/07/seite04_unten1.jpg!

In einer zusehends säkularen Gesellschaft halte ich es für wesentlich, dass es sichtbare kultische Gebäude gibt als unverzichtbare Fingerzeige einer Ausrichtung, die über das bloße Hier und Jetzt hinausgeht. Wir wollen ja auch, dass unsere Gotteshäuser als Kirchen im Stadtbild wahrnehmbar sind. Und dementsprechend will ich auch schöne Moscheen. Viele Menschen wissen gar nicht, dass in ihrer Nähe eine Moschee ist, was den Kontakt erschwert. Das würde sich ändern, wenn es schöne, identifizierbare Gebäude gäbe, wo man sagen kann, das schau ich mir mal an, auch unter einer kulturellen, architektonischen Perspektive. Für den christlich-islamischen Dialog wäre es hilfreich, dass die Moscheen aus den Hinterhöfen herauskommen, denn es entstünde seltener der Eindruck, dass da irgendetwas Mysteriöses vor sich geht.

h3. Wolfgang Bodenstedt (73), Rentner

!(rechts)2007/07/seite04_unten2.jpg!

Meiner Ansicht nach muss die in Deutschland durch das Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit, von der die Muslime bei uns ja umfassenden Gebrauch machen, im Idealfall eine Sache auf Gegenseitigkeit sein. Solange zum Beispiel in der Türkei christliche Kirchen noch nicht einmal Grundbesitz haben dürfen und das einzige orthodoxe Priesterseminar in der Türkei auf den Prinzeninseln weiterhin staatlicherseits geschlossen bleibt, sollten wir bei der Erteilung von Baugenehmigungen für Moscheen sehr zurückhaltend sein. Hinzu kommt, dass viele Bauanträge für Moscheen von der DITIB gestellt werden, also von der Türkisch-islamischen Union, der Anstalt für Religion. Dies ist eine staatliche Einrichtung des türkischen Religionsministeriums, die damit für die genannten Missstände unmittelbar verantwortlich ist.

h3. Parvaneh Ghorishi (59), Psychologin

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Ich sehe keinen Bedarf an schöneren Moscheen in Frankfurt. Was nützen schönere Moscheen, wenn Migrantenkinder in Sonder- und Hauptschulen abgeschoben werden und keine Ausbildungsplätze bekommen? Ich finde es wichtiger, dass es in unserer Gesellschaft Chancengleichheit, Akzeptanz und Respekt gegenüber Menschen gibt, die einen anderen ethnischen oder kulturellen Hintergrund haben oder einfach anders aussehen. Und dass diese nicht als Randgruppe für viele Probleme der deutschen Gesellschaft verantwortlich gemacht werden. Eine Bildungsoffensive für Migrantenkinder ist es, was wir brauchen, denn auch diese Kinder sind die Zukunft dieses Landes. Ich wünsche mir außerdem die Einführung von Quoten für Migranten und Migrantinnen in allen Arbeitsbereichen, damit Uni-Absolventen nicht als Taxifahrer oder Verkäufer enden.

h3. Ilona Klemens (42), Pfarrerin für interreligiösen Dialog

!(rechts)2007/07/seite04_unten4.jpg!

Wer Religionsfreiheit einfordert, muss sie selbst auch konsequent umsetzen, ganz im Sinne des biblischen Satzes: „Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ Es ist absurd, totalitäre Regime zum Maßstab unseres Verhaltens zu machen nach dem Motto: „Solange in Saudi-Arabien auch keine Kirche steht, darf es hier keine Moscheen geben.“ In einer religiös globalisierten Welt gilt für Christen wie für Muslime, altes Blockdenken nach dem Motto „christliches Abendland gegen islamische Welt“ aufzugeben und für neue Modelle des Zusammenlebens einzutreten. Darum sind meines Erachtens alle Religionsgemeinschaften, deren Gebäude bei uns öffentlich sichtbar sind, aufgefordert, diese über die gottesdienstliche Funktion hinaus zu gestalten: als Orte für einen offenen Dialog und für konstruktives gesellschaftliches Engagement.

p(hinweis). Siehe auch: „Und wieder ist das Kopftuch im Bild“:http://evangelischesfrankfurtarchiv.de/2007/07/und-wieder-ist-das-kopftuch-im-bild,
„Frankfurt braucht schöne Moscheen“:http://evangelischesfrankfurtarchiv.de/2007/05/%e2%80%9efrankfurt-braucht-schone-moscheen%e2%80%9c

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Juli 2007 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Kommentare zu diesem Artikel

  • Markus Pahnke schrieb am 30. Juli 2007

    Ich verfolge die in gesamt Deutschland zu diesem Thema geführte Diskussion schon länger und war bis vor kurzem noch der Ansicht das eine schöne Moschee zu einer Multikulti-Stadt wie Frankfurt gehört. Leider hat sich meine Einstellung dazu grundlegend geändert. Ich bin grundsätzlich für einen respektvollen und toleranten Umgang miteinander. Leider habe ich das Gefühl das dieser Wunsch nur von einer Seite gepflegt wird und von den Muslimen in Deutschland ausgenutzt wird. Ich finde einer Gesellschaft in der Frauen immer noch „gezüchtigt“ werden dürfen und die es für ganz normal hält, dass man 10 Jahre in einem Land leben kann ohne die Landesprache zu sprechen, sollte der Wunsch nach solchen Bauwerken nicht erfüllt werden. Meiner Meinung nach sind nun endlich die Muslime in Deutschland am Zug um zu beweisen das sie eine tolerante, freie und starke Gemeinschaft in Deutschland aufbauen möchten. Man stelle sich einmal die Frage ob es möglich wäre in Antalya eine große Kirche zu bauen.

  • Jochen Müller schrieb am 3. August 2007

    Es wäre hilfreich, wenn sich die Moscheebefürworter in Deutschland einmal informieren würden, welche Funktion eine Moschee eigentlich hat. Sie ist KEIN reines Gebetshaus im christlichen Sinne, sondern ein sozialer und weltanschaulicher Ort, der den Muslimen als zweite Heimstätte anempfohlen wird, wo man Geschäfte besprechen, Bücher verkaufen und nebenan gleich ins Cafe oder zum Frisör gehen kann. Moscheen sind absolut kontraproduktiv für die Integration der hiesigen Muslime, sie verstärken eher den Abschottungsprozess und bilden die Keimzelle einer Gegenwelt. Dass in ihnen zuweilen gegen den „verderbten Westen“ gehetzt wird, sei hier nur am Rande erwähnt. Jeder Moscheeverein folgt seinen eigenen Regeln, die Imame sind mal mehr, mal weniger „liberal“, und niemand kann das von außen kontrollieren. Es gibt keine islamische „Kirche“ wie wir sie vom Christentum kennen, und somit gibt es auch keine verbindliche theologische Ausrichtung der Moscheen. Es ist erschütternd, wie ahnungslos die gutmütigen Christen in dieser Hinsicht noch immer sind. Säkulare Muslime warnen uns dringlich vor diesen Moscheevereinen, weil sie orthodoxe Parallelgesellschaften nicht nur begünstigen, sondern gezielt herbeiführen möchten. Nicht zu fassen, dass man weiterhin freimütig die linken und moslemischen Vorwürfe akzeptiert, die deutsche Gesellschaft sei Schuld an der „Ausgrenzung“ der Muslime – die stellen sich selbst und mit voller Absicht ins (kulturelle und gesellschaftliche) Abseits, Mitwirkung wird nur im Sinne der Durchsetzung eigener Begehrlichkeiten, Sonderrechten usw. erstrebt, ansonsten möchte man sich nicht zu sehr vom christlichen Westen beeinflussen lassen – mit all den Folgen, die wir schon heute zB. in unsern Schulen beobachten können.
    Muslime sind überzeugt von der Höherwertigkeit ihrer „Religion“, die in Wahrheit eher eine allumfassende Ideologie mit religiösem Überbau darstellt. Es gibt im Islam keine Gleichwertigkeit der Religionen,höchstens eine Duldung, solange die Muslime noch in der Minderheit sind. Die gelebte „Toleranz“ in islamischen Ländern sollte doch eigentlich Anschauungsmaterial genug liefern.
    Armes Deutschland! Und traurig mitanzusehen, wie sich die christlichen Kirchen auf lange Sicht ihr eigenes Grab schaufeln.