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Aktuell

1. Juli 2007

Und wieder ist das Kopftuch im Bild

p(einleitung). Die meisten Menschen haben keinen regelmäßigen persönlichen Kontakt zu religiös engagierten Musliminnen und Muslimen oder zu Moscheegemeinden. Auch an christlich-islamischen Dialogveranstaltungen beteiligt sich nur eine kleine Minderheit. Das Islambild in Deutschland ist deshalb vor allem durch die Medien geprägt. Doch in den Zeitungen oder im Fernsehen geht oft die plakative Darstellung vor Nüchternheit und differenzierter Information.

Medienberichte tragen, wenn auch oft ungewollt, zu negativen Vorurteilen über die islamische Religion bei – zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des „Instituts für Medienverantwortung“ in Erlangen, die dessen Leiterin Sabine Schiffer bei einem Diskussionsabend im Rahmen der Frankfurter christlich-islamischen Woche in der Friedenskirche im Gallus vorstellte.

!(kasten)2007/07/seite05_oben.jpg(Fotos von Frauen mit Kopftuch werden in den Medien häufig gezeigt, wenn es um Probleme bei der Zuwanderung geht. Dabei interessieren sie sich im wahren Leben für dieselben Dinge, wie andere auch: Hier zum Beispiel für den Verlauf des Fußballspiels während der christlich-islamischen Woche in Frankfurt. | Foto: Rolf Oeser)!

Berichte über Gewalttaten, die sich in islamisch geprägten Regionen ereignet haben, würden zum Beispiel wie selbstverständlich mit religiösen Bildmotiven verknüpft, auch wenn es sich eigentlich nur um politische oder soziale Themen handelt. „Geiselhaft im Namen
Allahs“ titelte zum Beispiel der „Spiegel“ im Entführungsfall von Susanne Osthoff im Irak und illustrierte das Ganze mit dem Bild einer Moschee. Und einen Artikel über den neuen iranischen Präsidenten bebilderte der „Stern“ mit einer Bildcollage, die den Politiker Mahmud Ahmadinedschad zusammen mit einer Atombombe und einer Moschee zeigte. Wohl kaum jemand käme hingegen auf die Idee, zu einem Artikel über die Regierungspolitik von George Bush das Foto von einer Kirche zu stellen – obwohl der amerikanische Präsident sich ebenfalls auf die Religion, in seinem Fall auf das Christentum, als Grundlage seiner Politik beruft.

Ein anderes Beispiel: Wenn Medien über Gewalttaten oder Verbrechen berichten, nennen sie bei muslimischen Tätern fast immer die Religion dazu – bei Verbrechen, die von Christen oder Atheisten begangen werden, hingegen nie. So entsteht unweigerlich der Eindruck, Muslime seien irgendwie „krimineller“ als Anhänger anderer Religionen. Diese „Markierung“ der islamischen Bevölkerung habe zur Folge, dass in der öffentlichen Wahrnehmung mit Musliminnen und Muslimen keine Normalität, sondern vorwiegend Negatives verbunden werde. Diese „Schieflage“, so Schiffer, sei in den deutschen Medien bereits seit Jahrzehnten feststellbar.

!(rechts)2007/07/seite05_mitte.jpg(Bei der Begegnung zwischen Christen und Muslimen auf dem Fußballplatz im Gallusviertel waren sich beide Mannschaften nahezu ebenbürtig. Die Zuschauerinnen und Zuschauer freuten sich über einen wahren Tor-Reigen, bei dem die Christen schließlich knapp mit 7 : 8 unterlagen. | Foto: Rolf Oeser)!

Die Journalistinnen und Journalisten auf dem Podium teilten Schiffers Analyse nur zum Teil. „Der Bote kann nicht für die schlechte Nachricht verantwortlich gemacht werden“, gab etwa Ilyas Mec vom Hessischen Rundfunk zu bedenken. Häufig genug gebe es nun einmal brisante Ereignisse, die mit islamisch geprägten Weltregionen in Verbindung stünden. Diese außenpolitischen Nachrichten müssten prominent auf den Titelseiten platziert werden. Gleichwohl, so Sabine Schiffer, könne man solche Informationen mit Umsicht aufbereiten und vermeiden, dass implizit ein stereotyper Sinn in das Ereignis hineininterpretiert werde. Dass hier nicht immer mit der nötigen Sorgfalt vorgegangen wird, bestätigte auch der WDR-Journalist Murad Bayraktar im Zusammenhang mit dem geplanten Bau einer Moschee in Köln: „Heute diskutieren wir schon nicht mehr über eine Moschee, sondern über einen Stützpunkt der Islamisten.“

Klischees und stereotype Medienbilder können selbst dann, wenn sie wohlmeinend eingesetzt werden, kontraproduktiv sein, wie Sabine Schiffer bei der Debatte um ein neues Zuwanderungsgesetz beobachtet hat: „Meist wird zur Darstellung des Fremden eine Frau mit Kopftuch gewählt. Dadurch entsteht aber die Assoziation, vor allem Musliminnen hätten ein Problem mit der Integration.“ Hinzu komme, dass auch die Aufklärung über solche Mechanismen problematisch sei. Denn indem man diskriminierende Stereotypen kritisch hinterfragt, stelle man faktisch wieder dieselbe Verknüpfung her: „Auch Verneinung erinnert“, betonte Schiffer – ein Dilemma, dem auch dieser Artikel nicht entkommt.

p(autor). Andrea Pollmeier / Antje Schrupp

h2. Islamunterricht nicht in Sicht

p(einleitung). Ministerin Wolff unterstreicht die Bedeutung des Schulfaches Religion

In Hessen wird es in naher Zukunft wohl keinen Islamunterricht an Schulen geben. Zwar hob Kultusministerin Karin Wolff, die auf Einladung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in die Frankfurter Katharinengemeinde gekommen war, die Bedeutung der Religion für die Identitätsbildung des Menschen hervor. Sie erläuterte jedoch auf Nachfrage, dass ihr zur Einführung eines muslimischen Religionsunterrichts die Ansprechpartner fehlten. Es gebe keine Organisationsform, die die Muslime wirklich vertreten könne. „Wir haben eine Vielzahl von Gruppierungen. Das macht Vereinbarungen schwierig“, erläuterte Wolff. Zudem fehlten Lehrpläne und Ausbildungsmöglichkeiten für muslimische Religionslehrerinnen und -lehrer.

Dabei betonte Wolff jedoch, dass der Religion in der Schule eine wichtige Bedeutung zukomme: „Jugendliche müssen sich verorten in der Gesellschaft, und dafür brauchen sie Orientierung.“ In der Schule könne deshalb der Religionsunterricht nicht nur ein „Sahnehäubchen“ sein, vielmehr durchzögen Fragen von Identität und Interkulturalität alle Schulfächer. So sei es Aufgabe aller Lehrkräfte, gleich welchen Glaubens, kulturelle Zusammenhänge darzustellen: Wenn etwa im Re­ ligionsunterricht die biblische Schöpfungsgeschichte vermittelt werde, könne die Biologie dieses Thema naturwissenschaftlich ergänzen.

Die Kultusministerin hob hervor, dass ein Kind ein Recht darauf habe, sich nicht nur in seiner eigenen Kultur zurecht zu finden, sondern auch eine eigene Identität zu finden. „Ein Kind fragt schon im Kindergarten, woher komme ich, warum gibt es mich, was ist
einzigartig.“ Wer einen eigenen Standpunkt zu diesen Fragen finde, werde keine Angst haben, anderen Standpunkten zu begegnen, führte die Ministerin mit Blick auf die Begegnung mit anderen Religionen aus. Das Wissen von anderen Religionen hält Wolff für unabdingbar notwendig. Doch wer nur alles nebeneinander stelle, verwechsele Toleranz mit Gleichgültigkeit.

Die Ministerin betonte, dass der christliche Religionsunterricht in Hessen ordentliches Unterrichtsfach sei. Wenn dieses abgewählt werde, sei der Ethikunterricht als Ersatzfach die Alternative. Wolff kündigte an, dass durch verstärkte Ausbildung von Ethiklehrerinnen und -lehrern in den nächsten drei Jahren flächendeckend dieser Ersatzunterricht angeboten werden könne.

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

h3. Begegnungen beim Kirchentag

!(kasten)2007/07/seite05_unten.jpg(In die Moschee ging’s nur auf Socken: Zwei Kirchentags-Teilnehmerinnen ziehen sich nach dem Besuch des Freitagsgebets in der Kölner Zentralmoschee ihre Schuhe wieder an. | Foto: epd-bild / Guido Schiefer)!

Der Dialog mit dem Islam war auch eines der wichtigen Themen beim Kirchentag in Köln, wo es viele Podien und Diskussionen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Glauben gab. Zahlreiche Stellung­ nahmen, Texte und Kontaktadressen der evangelischen Kirche zum Thema Islam stehen unter „www.ekd.de/islam“:http://www.ekd.de/islam/ im Internet.

p(autor). Antje Schrupp

p(hinweis). Siehe auch: „Minarette in der Skyline“:http://evangelischesfrankfurtarchiv.de/2007/07/minarette-in-der-skyline,
„Frankfurt braucht schöne Moscheen“:http://evangelischesfrankfurtarchiv.de/2007/05/%e2%80%9efrankfurt-braucht-schone-moscheen%e2%80%9c

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Juli 2007 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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