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Aktuell

1. September 2007

Infopool für Abgeschobene

p(einleitung). Weltweite Vernetzung soll Flüchtlingen in den Rückkehrländern helfen

Der 19 Jahre alte Samir* war verzweifelt, als er nach Afghanis­ tan abgeschoben wurde: Seine Eltern waren tot, er kannte niemanden in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land. In Deutschland hatte sich der schüchterne Junge, der mit 12 als Flüchtling hierher kam, gut eingelebt, die Schule abgeschlossen und eine Ausbildung begonnen. Doch als er volljährig wurde, erfuhr er, dass er nicht länger bleiben kann. Aus Angst, ohne Geld und ohne Freunde in dieses fremde Land geschickt zu werden, zerschnitt sich Samir die Arme in der Hoffnung, nicht abgeschoben zu werden. Doch die Wunden waren nur oberflächlich, sie wurden verbunden und der verängstigte junge Mann ins Flugzeug nach Kabul gesetzt, einem ungewissen Schicksal entgegen.

Es sind solche Fälle, die die kirchlichen Abschiebebeobachterinnen am Frankfurter Flughafen auf die Idee brachten, es müsste ein Informationssystem geben mit Adressen und Anlaufstellen, wo Menschen wie Samir in ihrem Herkunftsland Hilfe finden können. Sie konnten das Diakonische Werk Hessen-Nassau und die Sebastian-Cobler-Stiftung für das Projekt gewinnen. Mit insgesamt 14000 Euro finanzieren sie ein Jahr lang eine viertel Stelle. Sabine Kalinock, die im Auftrag des Evangelischen Regionalverbandes seit gut einem Jahr Abschiebungen am Flughafen beobachtet, will in dieser Zeit recherchieren, Kontakte knüpfen und eine entsprechende Datenbank aufbauen. Auf diesen Informationspool sollen dann bundesweit Einrichtungen zugreifen können.

Dann könnte vielleicht auch Frauen wie Nasim* geholfen werden. Die heute 20 Jahre alte Frau aus Pakistan war mit einem Landsmann in Deutschland verheiratet worden. Doch kurz bevor die Frist abgelaufen war, nach der sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen hätte, erklärte der Mann die Ehe für gescheitert. Nasim wurde abgeschoben, aber zurück zu ihrer Familie kann sie nicht: Man würde ihr die Schuld für das Scheitern der Ehe geben, befürchtet sie.

Rund 13000 Menschen werden jedes Jahr aus Deutschland gegen ihren Willen in ihre Herkunftsländer abgeschoben, etwa die Hälfte davon von Rhein-Main aus. Nur einen Bruchteil davon kann Sabine Kalinock mit ihrer Kollegin Stella Schicke begleiten, etwa 250 pro Jahr. „Es ist eine Gratwan­ derung“, beschreibt sie das geplante Projekt, „es soll nicht darauf hinauslaufen, dass man sagt, Abschiebungen sind jetzt grundsätzlich in Ordnung, weil den Flüchtlingen vor Ort ja geholfen wird.“

Abgesehen davon, dass es ohnehin sehr mühsam sein wird, in Ländern wie Afghanistan, Irak, Sri Lanka oder Nigeria verlässliche Kontakte aufzubauen, sei jeder einzelne Fall anders gelagert, be­ tont Kalinock. Nur das ganz grundsätzliche Probleme bleibt dasselbe: Dass Menschen, die teilweise schon seit vielen Jahren in Deutschland leben, ohne Geld und soziale Bindungen in Länder zurückkehren müssen, in denen oft Krieg, immer aber Armut und soziale Unsicherheit herrschen.

p(autor). Antje Schrupp

p(hinweis). *Name geändert

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. September 2007 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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