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Aktuell

1. Mai 2008

„Alltag ist praktisch unmöglich“

p(einleitung). Sumaya Farhat-Naser berichtet über die Situation in Palästina

Der Dauerkonflikt zwischen Israel und Palästina hat nach Ansicht der Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser keine religiösen, sondern politische und wirtschaftliche Ursachen. „Religionen sind wie orientalische Gemüsemärkte: Man findet, was man sucht“, sagte Farhat-Naser bei einem Vortrag im voll besetzten Saal der französisch-reformierten Gemeinde in Frankfurt. Zwar gebe es fanatische Gläubige, die sich auf eine bestimmte Variante Judentum oder Islam berufen, doch das sei auf beiden Seiten nicht die Mehrheit derer, die den Konflikt prägen.

!(rechts)2008/05/seite10_mitte.jpg(Über die Lebensverhältnisse in ihrer Heimat Palästina sprach die Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser in der französisch-reformierten Gemeinde in Eschersheim. | Foto: Antje Schrupp)!

Die christliche Palästinenserin, die sich seit vielen Jahren mit ihren Projekten für eine Bewältigung des Alltags in den besetzten Gebieten engagiert, forderte den Westen und Israel auf, die Hamas als Gesprächspartner zu akzeptieren, „sonst haben wir in zehn Jahren die Al Qaida in Palästina“. Die radikalislamische Hamas-Bewegung hat die jüngsten Wahlen in Palästina gegen die Fatah-Partei des inzwischen verstorbenen Palästinenserchefs Jassir Arafat gewonnen. Dass die Bevölkerung ihr Vertrauen in die Fatah verloren habe, sei auch die Schuld des Westens, der Arafat erst zu spät als Gesprächspartner akzeptiert habe, so die Einschätzung von Sumaya Farhat-Naser.

Es gebe auch bei Hamas gemäßigte Politiker, „Mit denen muss man jetzt reden, wenn man nicht will, dass die Leute immer radikaler werden.“ Sicherlich sei es ein Fehler, dass Hamas das Existenzrecht Israels nicht anerkenne. Doch dies sei ein Prozess, der Zeit brauche.

Problematisch sei, dass dieses Existenzrecht in letzter Zeit zunehmend mit der Rede von Israel als „jüdischem“ Staat verknüpft werde. Zwanzig Prozent der israelischen Bevölkerung seien aber nicht jüdisch. Schon jetzt gebe es für die nichtjüdische Bevölkerung in Israel eingeschränkte Rechte, und es werde darüber diskutiert, wie viel Prozent Nichtjuden im Land leben dürften, mit Zahlen zwischen null und 13 Prozent.

Durch den jüngsten Bau einer Mauer zwischen Israel und Palästina habe sich die Situation in der Region enorm verschärft, so Farhat-Naser. Anfang der 1990er Jahre habe es hunderte israelisch-palästinensischer Projekte gegeben, von denen keines übrig geblieben sei, weil durch die Mauer gemeinsame Treffen unmöglich geworden seien. Aufgrund der zahlreichen israelischen Straßenkontrollen und der fehlenden staatlichen Autorität der palästinensischen Polizei sei wirtschaftliche Produktivität praktisch unmöglich. Den israelischen Geheimdienst beschuldigte Farhat-Naser, palästinensische Kinder und Jugendliche als Kollaborateure anzuwerben und sie sogar zu politischen Morden anzustiften.

Auch die israelische Gesellschaft werde durch den Konflikt zerrissen. „Wer sich um Israel Sorgen macht, muss die Dinge beim Namen nennen.“

p(autor). Antje Schrupp

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Mai 2008 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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