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Aktuell

1. Oktober 2008

Nur im Ausnahmefall

p(einleitung). Wer aus der Kirche ausgetreten ist, hat damit auch den Anspruch auf kirchliche Amtshandlungen aufgegeben. Das kann für die Angehörigen bitter sein – zum Beispiel, wenn sie sich eine kirchliche Bestattung wünschen.

Möchten die Angehörigen eine Ausnahme, müssen sie gute Gründe vorbringen, welche die evangelische Bestattung eines Nichtmitgliedes angezeigt erscheinen lassen. In diesem Fall tun sie gut daran, sich untereinander zu beraten, bevor sie eine evangelische Bestattung erbitten: War der Verstorbene vor dem Austritt evangelisch? Wenn nicht, welche andere Konfession ist zuständig? Warum ist der Austritt erfolgt? Wie wichtig wäre dem Verstorbenen die kirchliche Begleitung gewesen – oder hätte er das nicht gewollt? Welchen Stellenwert hat der kirchliche Beistand für die Angehörigen selbst?

!(rechts)2008/10/seite04_oben.jpg(Bestattung mit Pfarrer – in der Regel ist das nur möglich, wenn der Verstorbene Kirchenmitglied war. Aber es gibt Ausnahmen. | Foto: epd-bild / Rolf Zöllner)!

Wenig Widerstand wird es geben, wenn der Verstorbene schon zu Lebzeiten bemüht war, (wieder) in eine Mitgliedschaft zur evangelischen Kirche zu gelangen oder Mitglied einer anderen christlichen Kirche oder Glaubensgemeinschaft war, die aber die Bestattung nicht begleiten will oder – zum Beispiel auf ausdrücklichen Wunsch des Verstorbenen – soll.

Schwieriger kann es werden, wenn die Angehörigen damit argumentieren, dass sie selbst doch Kirchenmitglieder seien und geistliche Begleitung und den Beistand der Kirche benötigen. Keinesfalls wird eine Pfarrerin oder ein Pfarrer die Bestattung entgegen dem erklärten Willen des Verstorbenen vornehmen, wenn dieser sich zum Beispiel entsprechend geäußert oder mit der Kirche unvereinbare Ziele verfolgt hat.

Ausnahmen können allerdings ein paar Umwege erfordern, und es gibt auf sie kein Anrecht. Die zuständige Pfarrerin kann die Übernahme der Bestattung ablehnen, muss dann aber den Beschwerdeweg aufzeigen. Man kann auch alternativ einen anderen Pfarrer bitten, die Bestattung zu übernehmen, dann muss jedoch das zuständige Pfarramt vorher um eine schriftliche Erlaubnis („Dimissoriale”) gebeten werden.

Steht fest, dass es keine kirchliche Mitwirkung bei der Bestattung geben kann, sollte die Bitte der Angehörigen um seelsorgerlichen Beistand und Verkündigung des Evangeliums aber trotzdem erfüllt werden. Der Pfarrer oder die Pfarrerin kann zum Beispiel die Bestattung in Zivilkleidung begleiten und den Angehörigen eine von der Trauerfeier unabhängige Andacht anbieten.

p(autor). Wilfried Steller

h3. Two feet under – all inclusive

Ab halb zehn füllt sich der Parkplatz vor dem Alten Offenbacher Friedhof. Auch ein Porsche steht darunter. Dabei gibt es hier etwas besonders billig: eine Urnenbestattung für 1500 Euro „tutto completto”.

Friedhofspersonal ist noch nicht zu sehen, offenbar ist Geiz hier schon geil. In der Trauerhalle steht ein Leichenwagen mit 18 Urnen darauf. Viele Menschen in der Halle wirken unsicher, kommen zögernd herein, suchen einen Platz, stehen auf, gehen wieder nach draußen, kommen wieder herein. In der Halle geschieht sonst nichts. Das Kreuz schräg über dem Leichenwagen symbolisiert sprachloses Leiden.

Gegen Viertel nach zehn kommen zwei Friedhofsangestellte in einer Art Stadtwerke-Uniform herein und fahren nach der einstudierten Verbeugung den Leichenwagen nach draußen. Rund sechzig Angehörige folgen der „Sammelbestattung”, wie das Geschehen offiziell heißt. Sie haben sich mit der Annahme dieses Sonderangebots das Versprechen abkaufen lassen, dass höchstens zwei Personen je bestatteter Person ans Grab treten und den Erdwurf ausführen, und dass es keine irgendwie geartete religiöse Zeremonie gibt – mit dem Argument: „Da könnte ja sonst jeder kommen”.

An der Grabstätte angelangt, sieht man die halb bedeckten Urnenkapseln der letzten Aktion dieser Art dicht an dicht stehen, und es stellt sich unweigerlich der Gedanke an ein Massengrab ein. Der eine Friedhofsangestellte kündigt an, dass jetzt die „anonymen Urnen” beigesetzt werden. Haben die Bestatteten vor lauter Geiz jetzt auch noch ihre Namen eingebüßt? Nein, es war wohl nur die Unbeholfenheit des Angestellten, der dann nämlich doch noch die Namen verliest, während der andere die zugehörige Urne – man fragt sich, ob es auch wirklich jeweils die zugehörige ist – in den ausgehobenen Graben stellt. Kippelig stehen die Urnen da, und ein kleiner Erdrutsch wirft auch gleich einige um und verschüttet sie halb. Aber der Asche kann das wohl egal sein, und den Angehörigen muss es das ebenso – der Preis ist heiß.

Am Ende haben einige Angehörige noch immer ihre Blumen in der Hand, völlig überfordert von dieser Sparzeremonie, nicht ernstgenommen in ihrem Schmerz, mit Ratlosigkeit in den Augen. Immerhin haben sie viel Geld gespart. Ob es das dann auch wert war?

p(autor). Wilfried Steller

h2. Soll man Ausgetretene kirchlich bestatten?

h3. Peter von Lindeiner (69), Rentner

!(rechts)2008/10/seite04_unten1.jpg!

Nein, wer ausgetreten ist, hat sich das hoffentlich gut überlegt und sollte dann auch in diesem Punkt konsequent sein. Schließlich ist es ja auch nicht mehr wie im Mittelalter, wo man vor den Toren der Stadt verscharrt wurde, wenn man nicht kirchlich beerdigt werden konnte. Heute gibt es ja durchaus würdige Formen der Bestattung auch ohne kirchlichen Beitrag. Es gibt zum Beispiel gute Beerdigungsredner, und die Angehörigen eines Verstorbenen sind nicht notgedrungen alleine mit ihrer Trauer. Ein Problem sehe ich allerdings: Es ist sicher nicht leicht, wenn von zwei Eheleuten einer aus der Kirche ausgetreten ist und der andere nicht. Aber selbst wenn Hinterbliebene noch in der Kirche aktiv sind, gibt es für einen Pfarrer doch auch andere Möglichkeiten, sie zu trösten. Es muss nicht unbedingt die kirchliche Zeremonie sein.

h3. Bernhard Kießig (27), Musiker

!(rechts)2008/10/seite04_unten2.jpg!

Grundsätzlich wiegt aus meiner Sicht der Wille des Verstorbenen schwerer als die Wünsche der Angehörigen. Ich denke, niemand sollte gegen seinen erklärten Willen – testamentarisch oder nicht – beerdigt werden. Inhalt einer Beerdigung ist ja vor allem, dass mit dem Tod des Verstorbenen nicht alles vorbei ist. Wer das bejaht, muss auch dessen Willen nach seinem Tod respektieren. Wenn allerdings jemand beerdigt werden möchte, obwohl er nicht Kirchenmitglied war, sollte die Kirche das ermöglichen. Im Matthäusevangelium kann man lesen: „Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet. Denn wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?“ Daran sollten wir uns auch beim letzten Schritt im Leben eines Menschen orientieren, finde ich.

h3. Ingrid von der Horst (66), Lehrerin i.R.

!(rechts)2008/10/seite04_unten4.jpg!

Der Tod eines lieben Menschen wühlt uns innerlich auf, bringt alles durcheinander, macht uns sprachlos, ist unberechenbar. Da helfen die christlichen Trauerriten der Kirche, die evangelische Trauerfeier, und eine würdevolle Bestattung. Sie können uns Kraft geben, wenn wir sie am nötigsten brauchen. Mein Mann starb, als ich 55 Jahre alt war. Ich habe erfahren, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Sprache zu finden für einen würdigen, liebevollen, von Hoffnung getragenen Abschied. Ich denke, wenn sich eine Trauernde oder ein Trauernder vorstellen kann, dass der Verstorbene eine kirchliche Begleitung akzeptiert hätte, so sollte die Kirche dies auch ermöglichen. Gehört es doch zu den großen Aufgaben der christlichen Gemeinden, dass wir uns gegenseitig beistehen, wenn der Tod unwiderruflich in unser Leben hereinbricht.

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Oktober 2008 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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