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Aktuell

Von – 1. Februar 2009

Alles ist möglich – für den Messias

Wohl nie waren die Erwartungen an einen neuen amerikanischen Präsidenten höher als an Barack Obama. Mit der Parole „Yes we can” („Ja, wir schaffen es”) hat er selbst zum Bild eines Machthabers beigetragen, der mit Charisma, Weisheit und Durchsetzungskraft eine Art Heilsbringer für die Menschheit sein wird. Er besitzt eine starke religiöse Überzeugung, er steht für das Gute, das zugleich den prägenden Kern der amerikanischen Nation ausmacht, und er verfügt auch objektiv über ein erhebliches Machtpotential. Das macht ihn zu einer Art christlich-amerikanischem Messias.

Die Vorstellung eines Messias, der die Welt für immer verändert, entstammt dem Judentum. Als erst im achten und dann im sechsten Jahrhundert vor Christus die damaligen Supermächte Assur beziehungsweise Babylon die Integrität des kleinen Landes Israel bedrohten und schließlich zerstörten, kam dort – in vielfacher Ausprägung – die Hoffnung auf einen „Gesalbten” (hebräisch „Maschiach”, griechisch „Christos”) auf. Man dachte sich ihn als einen von Gott direkt bevollmächtigten und mit besonderer spiritueller oder kriegerischer Machtfülle ausgerüsteten König, der Jude ist und Abkömmling von König David. Er würde den zerstörten Tempel wieder aufbauen, Israel ein für alle Mal von seinen Feinden befreien, Gerechtigkeit schaffen und den Schalom herauf führen, also den Frieden, die Ruhe aller Feindseligkeiten in den Herzen der Menschen wie auf den Schlachtfeldern und das Wohl für alle. Im Judentum ist diese Erwartung einer realen Veränderung durch den Messias noch immer lebendig.

Christinnen und Christen hingegen sehen die Hoffnung auf den Messias in Jesus Christus bereits erfüllt, allerdings so, dass durch sein Wirken sowie durch Tod und Auferstehung der Gedanke des Friedens, der Versöhnung und der Liebe über die Grenzen des Judentums hinaus in die Welt gepflanzt wurde. Mit Jesus beginnt so das universale Gottesreich auf Erden, es hat jedoch eine vorwiegend spirituelle Dimension. Die tatsächliche Verwandlung der Welt und die Realisierung von Frieden und Gerechtigkeit werden erst für die Zukunft erwartet, wenn Christus zu einem unbestimmten Zeitpunkt wiederkommt.

Zweifellos wurde Jesus auch deshalb gekreuzigt, weil er als Messias-Anwärter galt. Die Römer sahen sich in Palästina ähnlich wie heute die Amerikaner im Irak vielfach bedroht und wollten jeden auch nur entfernt möglichen Widerstand im Keim ersticken. Und im Judentum war der Hass auf die Besatzer so groß, dass ein konkret politisch handelnder Messias vonnöten schien. Jesus als „Messias der Herzen” passte nicht in dieses Bild und musste daran scheitern – wie übrigens eine ganze Reihe anderer, die das Messias-Amt für sich beanspruchten. Man unterzog die Anwärter regelrechten Prüfungen, in denen sie ihre besonderen Fähigkeiten erweisen sollten.

Auch Barack Obama wird jetzt an konkreten Taten gemessen werden. Dabei wird sich bald herausstellen, dass er nur mit Wasser kocht. Denn es ist zwar alles möglich – aber eben nur für den Messias.

 

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Februar 2009 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.