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Aktuell

1. April 2009

Von Rache und Moral

p(einleitung). Abend über Gerechtigkeit im Krimi

Kaum ein Bereich der Literatur befasst sich intensiver mit den dunkelsten und verwerflichsten Seiten des menschlichen Zusammenseins als der Kriminalroman. Dabei ist das Kernthema gleichzeitig äußerst moralisch: Es geht um Gerechtigkeit, indem nämlich ein Verbrechen aufgeklärt und der Täter oder die Täterin bestraft wird – oder eben auch nicht. Denn nicht grundlos gilt für einen guten Krimi der Leitsatz: „Nichts ist, wie es zu sein scheint.“

Der Kriminalroman eignet sich also durchaus, um sich dem Thema „Gerechtigkeit“ einmal aus einer völlig anderen und vor allem unterhaltsamen Richtung zu nähern. Das dachte sich auch Angelika Förg vom Evangelischen Frauenbegegnungszentrum und lud im Rahmen des Themenprojektes „Gerechtigkeit“ Jutta Wilkesmann und Hilde Ganßmüller vom Krimibuchladen „Die Wendeltreppe“ in Sachsenhausen ein. Die zwei Fachfrauen des Genres erläuterten anhand zahlreicher von ihnen mitgebrachter und vorgestellter Bücher die unterschiedlichen Facetten von Gerechtigkeit und wie sie im Kriminalroman thematisiert werden.

„Die Grundlage der Demokratie besagt: Gleiches Recht für alle“, führte Jutta Wilkesmann in die Thematik ein. Obwohl auf diese Weise als Grundsatz der Rechtsprechung festgelegt, gilt das in der Praxis längst nicht immer. Daher befassen sich auch einige Romane mit dem Bereich der gesellschaftlichen Ungerechtigkeit und deren kriminellen Auswirkungen. In anderen steht die Frage im Vordergrund, worin denn genau die Gerechtigkeit besteht, die durch die Aufklärung des Verbrechens und vor allem der Bestrafung des Täters wiederhergestellt werden soll. Es könnte zum Beispiel das Ziel sein, einen erlittenen „Schaden“ wieder auszugleichen. Weitaus häufiger geht es jedoch um einen emotionaleren Aspekt, nämlich um persönliche Rache. Ein solcher Krimi ist dann meist so angelegt, dass die Leserin sich mit der Hauptfigur in gewisser Weise identifiziert, zumindest jedoch die Geschichte aus deren Perspektive erlebt.

„Nicht selten spielt die Autorin oder der Autor auf diese Weise auch mit dem Gerechtigkeitssinn des Lesers, indem zum Beispiel ein Akt der Selbstjustiz so nachvollziehbar geschildert wird, dass man geneigt ist, ihn als ‚gerecht’ zu empfinden, obwohl das objektiv betrachtet, also von der Rechtsgrundlage ausgehend, nicht der Fall ist“, erläuterte Wilkesmann. Für Hilde Ganßmüller liegt in solchen Herausforderungen gerade der besondere Reiz eines Krimis. „Ich entwickele ein Verständnis für etwas, das ich ansonsten nicht nachvollziehen könnte, und“, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu, „so kann ich auch Gefühle ausleben, die man im realen Leben nicht ausleben darf.“

p(autor). Sara Wagner

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. April 2009 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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