Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

1. Juli 2009

„Blamage für Kulturpolitik“

p(einleitung). Kirchenmänner Lehmann und Steinacker stehen in der Kritik

Eine „schwere kulturpolitische Posse“ und eine „Blamage für die hessische Kulturpolitik“ ist die Debatte um den Hessischen Kulturpreis nach Ansicht von Micha Brumlik. Bei einer Podiumsdiskussion im Frankfurter Kulturverein übte der Erziehungswissenschaftler scharfe Kritik an der Haltung des Mainzer katholischen Bischofs Karl Lehmann und des früheren Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker. Beide lehnten eine gemeinsame Verleihung des Preises mit dem Schriftsteller Navid Kermani ab, weil dieser in einem Zeitungsessay geschrieben hatte, er persönlich halte den christlichen Kreuzesglauben für eine „Gotteslästerung“. Daraufhin erkannte das Kuratorium Kermani den Preis wieder ab, was zu einer breiten öffentlichen Diskussion über die Unabhängigkeit von Staat und Kirche führte.

Die Reaktion der beiden Kirchenmänner zeige, dass sie „eine panische Angst vor Hegemonieverlust“ hätten, so Brumlik, der dem jüdischen Glauben angehört. Die Kirchen sollten sich eingestehen, dass das Christentum in der heutigen Gesellschaft nur eine Religion von vielen sei, und dass andere das Recht hätten, christliche Überzeugungen auch mit deutlichen Worten abzulehnen. Gerade im Bezug auf den Kreuzesglauben habe schließlich schon der Apostel Paulus gewusst, dass er „den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit“ sei.

Die muslimische Podiumsvertreterin Naime Cakir bezeichnete die Reaktion von Lehmann und Steinacker als unverständlich, da es nur wenige muslimische Intellektuelle in Deutschland gebe, die sich so intensiv mit dem Christentum beschäftigt hätten wie Kermani. Ihr Auftreten habe durchaus auch „etwas mit Dominanzansprüchen“ zu tun. „Ich bekomme als Muslimin auch so manche Kritik an meinem Glauben zu hören, bei der mir die Spucke wegbleibt“, betonte Cakir, „aber wir haben gelernt, dass man beim Beleidigtsein nicht stehen bleiben darf.“ Trotz allem hält sie die Kontroverse für produktiv. Die große Solidarität vieler Menschen mit Kermani sei ein positives Signal für die Muslime in Deutschland.

Auch die beiden Vertreter der christlichen Kirchen auf dem Podium mochten die Positionen von Lehmann und Steinacker nicht teilen. Der evangelische Theologe Jürgen Micksch, der auch Vorsitzender des Interkulturellen Rats in Deutschland ist, bedauerte, dass die Verleihung des Kulturpreises nun ausgesetzt wurde, da das Scheitern des Projektes fundamentalistische Kräfte in allen drei Religionen stärken könne. Micksch forderte das Kuratorium auf, im Gespräch mit denen, die seit langem im interreligiösen Dialog engagiert sind, nach geeigneten Preisträgern zu suchen.

Dass die Preisträger offenbar mit Ausnahme von Kermani nach institutionellen Kriterien und nicht nach ihrem tatsächlichen Engagement im intereligiösen Dialog ausgewählt wurden, wurde auf dem Podium mehrfach kritisiert.

Der katholische Theologe Joachim Valentin, Direktor des „Haus am Dom“, sieht in dem Konflikt unter anderem eine „Generationenfrage“. Auch in der katholischen Kirche hätten jüngere Menschen tendenziell weniger Vorbehalte gegen eine kulturelle Öffnung und weltanschauliche Vielfalt. „Ich hätte es besser gefunden, wenn man Kermanis Artikel zum Anlass genommen hätte, eine öffentliche Diskussion über die Bedeutung des Kreuzes anzustoßen“, so Valentin.

p(autor). Antje Schrupp

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Juli 2009 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+