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Von – 1. Juli 2010

Begeisternd, lebendig, erfüllend

Fußballenthusiasmus und Begeisterung für die Mitarbeit in der Kirche haben einiges gemeinsam. Und unterscheiden sich doch in einem wesentlichen Punkt: Gottes Geist beseelt die Mitspieler seiner Kirche.

Sabine Drescher-Dietrich ist Pfarrerin in der Nicolai-Gemeinde am Zoo. Foto: Ilona Surrey

Wenn ich meinen Computer anschalte, dann ist sie immer für den Bruchteil einer Sekunde wieder da: diese Stimmung damals nach dem Spiel „Holland gegen Argentinien“. Das Foto, das auf dem Desktop erscheint, hat ein junger Argentinier geschossen, dem wir zuvor mit Händen und Füßen erklärt hatten, wo es die Getränke gibt. Obwohl torlos, war es ein tolles Spiel gewesen: Den jungen Lionel Messi hatten wir gesehen! Dass er einfach begeisternd spielt, mussten auch die holländischen Fans zugeben, mit denen wir ins Gespräch kamen. „Einmal ein WM-Spiel miterleben“, das sei der Traum ihres Lebens gewesen, erzählten die beiden jungen Frauen.

Ist das alles wirklich schon vier Jahre her? Diese Stimmung in der Stadt, diese Atmosphäre – diese Begeisterung. Bunte Scharen fröhlicher Fans waren „zu Gast bei Freunden“ – und Freundinnen. Fußball-Weltmeisterschaft in Frankfurt! Selbst meine kroatische Nachbarin fieberte beim Public Viewing am Main mit. Sonst schüttelt sie nur den Kopf, wenn ich ganz beglückt (oder auch mal tief betrübt) aus dem Stadion komme.

„Weißt du noch?“ Ganz schnell sind sie wieder da, die Erinnerungen an Fröhlichkeit und Spannung, die Geschichten vom grandiosen Elfmeterschiessen oder von der unglücklichen Niederlage in der Verlängerung – und mit ihnen die unterschiedlichsten Gefühle: Freude und Zorn, Ungeduld und Erleichterung, Traurigkeit und Glück …

Das kenne ich so nur beim Fußball oder in der Kirche: Menschen, manchmal mit ganz gegensätzlichen Überzeugungen, setzen sich gemeinsam ein, lassen sich begeistern – für die eine Sache.

Bei ihrer Mini-WM hatten die Mitspieler vom internationalen Konvent christlicher Gemeinden wieder viel Spaß: Seit 2006 – dem Jahr der Fußball-WM in Deutschland – findet sie nun jedes Jahr statt. Foto: Rolf Oeser

Sie wissen genau: Das Ziel erreichen wir nur gemeinsam, aber jede und jeder muss sich so einsetzen, als käme es allein auf ihn oder sie an. Neulich saß ich mit einem älteren Herren zusammen, der sich seit 24 Jahren ehrenamtlich in der evangelischen Kirche engagiert, sein Fachwissen und viel Freizeit einbringt. Großartig fand ich das, begeisternd.

An Pfingsten haben wir den Geburtstag der Kirche gefeiert. Die Mutter, die diese Kirche geboren hat, ist Gottes Geist. „Geist“ ist in der Hebräischen Bibel eine weibliche Kraft. Am Anfang schwebt sie über den Wassern des Chaos, dem Tohuwabohu. Sie gibt königlichen und prophetischen Menschen die Kraft und den Mut, die sie brauchen, um ihren Lebensaufgaben gerecht werden zu können. Sie äußert sich in Weisheit, Liebe und Barmherzigkeit. Und so erscheint die Weisheit in der Hebräischen Bibel oft personalisiert als schöne und kluge Begleiterin Gottes.

Aus dieser Kraft entsteht Kirche – unter Menschen, die sich bis dahin weder etwas zu sagen hatten, noch sich verstehen konnten oder wollten. Gottes Geist bringt sie zusammen, schickt sie in die Welt, gibt ihnen ein Ziel und einen Auftrag mit: Nichts weniger als das Reich Gottes sollen sie, sollen wir als Kirche anstreben: „Weltmeister“ werden eben.

Vielleicht erreichen wir dieses Ziel in diesem Jahr, vielleicht auch erst viel später. Vielleicht erreichen wir es gar nicht mehr, sondern erst unsere Kinder oder Kindeskinder. Manche vor uns haben es auch schon geschafft. Doch darauf können wir uns nicht ausruhen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“

Hin und wieder müssen wir „den Ball laufen lassen“. Das gilt eben auch für die Arbeit in der Kirche, in den Gemeinden. Wir brauchen Gelassenheit und Ruhe, wenn nicht alles so schnell, so gut läuft, wie wir es uns wünschen. Und manchmal schwächen wir uns durch Unvermögen, Niedertracht oder Schuld – und kassieren zu Recht eine „gelbe“ oder gar „rote“ Karte.

Aber solange wir immer wieder von unserem „Trainer im Himmel“ aufgestellt werden, dürfen und sollen wir es versuchen, jeden Tag neu! Und wir können uns auf die Kraft des Geistes verlassen. Sie wird uns tragen, „von den Plätzen reißen“, begleiten.

Ist das wirklich schon 2000 Jahre her? Und noch immer so lebendig, begeisternd, erfüllend, Mut machend?!

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Juli 2010 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Sabine Drescher-Dietrich ist Pfarrerin in der Nicolai-Gemeinde am Zoo.