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Von – 1. September 2010

„Unterschiedlichkeit ist unser großer Schatz“

In einer Interviewreihe stellt „Evangelisches Frankfurt“ die Mitglieder des Frankfurter Rates der Religionen vor. Monica Mueller-Roemer von der Episcopal Church „Christ the King“ vertritt dort den Internationalen Konvent der christlichen Gemeinden anderer Herkunft und Muttersprache.

Zu welcher christlichen Konfession gehört Ihre Gemeinde?

Wir gehören zur anglikanischen Kirche, sind also weder evangelisch noch katholisch. Entstanden ist die anglikanische Kirche im 16. Jahrhundert in England, weil der damalige König Heinrich der Achte den Ordern des Papstes nicht folgen wollte. Wir haben also keinen Papst, wir haben demokratischere Strukturen mit Bischöfen, Priestern und Diakonen. Laien partizipieren im Leben der Kirche und sind an der Kirchenleitung maßgeblich beteiligt. Ansonsten gibt es viele Ausprägungen. Man sagt scherzhaft: Bei den Anglikanern kannst du eintreten, egal was du glaubst, du findest bestimmt jemanden, der dasselbe glaubt.

Monica Mueller-Roemer in der 1957 gebauten Kirche „Christ the King“ in der Sebastian-Rinz-Straße. Die Mathematikerin und Informatikerin vertritt im Rat der Religionen die Gemeinden anderer Muttersprache. Foto: Ilona Surrey

Und Sie haben offensichtlich auch die Frauenordination, da Ihre Gemeinde ja eine Pfarrerin hat, Carola von Wrangel.

Ja, natürlich, Frauenordination ist erlaubt! Unsere Gemeinde gehört zur Episcopal Church, also zum US-amerikanischen Zweig mit 2,3 Millionen Mitgliedern. Weltweit gibt es 80 Millionen Anglikaner, 20 Millionen davon leben in Nigeria.

Seit wann gibt es die Frankfurter Gemeinde?

Unsere Kirche wurde 1957 erbaut, aber eine Gemeinde gab es schon vorher. Viele Mitglieder gehörten damals zu den amerikanischen Streitkräften. Heute sind nur noch 20 Prozent aus Amerika, 40 Prozent britisch, höchstens 10 Prozent deutsch, so wie ich. Der Rest kommt aus dreißig verschiedenen Ländern von allen Kontinenten. Wir genießen das immer zum Pfingstfest, wenn wir eine Lesung in den verschiedenen Muttersprachen machen.

Ist es nicht schwierig, so viele unterschiedliche Nationalitäten und kulturelle Hintergründe in einer Gemeinde zu haben?

Nein, das ist eher ein Vorteil. Wenn wir in einer Bibelgruppe sitzen, dann ist da der Marco mit seiner italienischen Bibel, und Marie-Anne hat ihre französische. Es ist doch eine Bereicherung, wenn man durch die verschiedenen Varianten etwas neu liest und versteht. Meine Freundin aus Ghana lebt ihren Glauben viel intensiver und direkter, als ich selbst als Europäerin das kenne. Die Unterschiedlichkeit ist unser großer Schatz.

Wie sind Sie zur anglikanischen Kirche gekommen?

Das war vor über zwanzig Jahren. Ich war von Haus aus evangelisch, bin aber selten in die Kirche gegangen. Wir lebten damals in North Carolina, USA, und wollten unseren Sohn taufen lassen. Also haben wir nach einer Kirche gesucht. Es gibt ja nicht die eine evangelische Kirche in den Staaten, sondern viele Glaubens­gemeinschaften. Die Episcopal Church hat mich am meisten angesprochen, intellektuell und spirituell. Die Predigten hatten einen direkten Bezug zu meinem Leben, es ging um Themen, über die ich selbst nachdachte. Und dann ist auch der Gottesdienst sehr schön, mit viel Musik, den „bells and smells“.

Ist das so ein Gottesdienst mit lautem Halleluja und Trubel?

Nein! Man nennt uns auch „the frozen chosen“, wir sind eher zurückhaltend. Es wird schon mal ein Gospel gesungen oder geklatscht, aber die Liturgie gleicht der der katholischen Kirche.

Und als Sie dann nach Frankfurt kamen, haben sie hier eine ähnliche Gemeinde gesucht?

Ja, eigentlich sofort. Wir kamen aus den Südstaaten, aus diesem überschwänglich freundlichen Land. Manches mag daran oberflächlich sein, aber es erleichtert das Leben, wenn die Menschen so freundlich sind. Ich habe das hier in Frankfurt vermisst. Nach vier Wochen hatten wir dann diese Gemeinde gefunden. Und ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal hereingekommen bin, und ich sah in die Gesichter und fühlte mich wieder zuhause.

Was glauben Sie, woran dieser Unterschied liegt?

Ich denke, bei uns ist die Spiritualität fühlbar. Der Glaube wird gelebt, und ich kann einen konkreten Bezug herstellen zwischen dem, was in der Predigt gesagt wird, und meinem eigenen Leben. Für mich rückt der Sonntag immer auch ein bisschen mich selber zurecht, sodass ich mich auf das konzentriere, was wirklich wichtig ist im Leben, und nicht auf irgendwelche Nebensächlichkeiten.

Wie viele Mitglieder hat die Gemeinde, und wie finanzieren Sie sich?

Wir haben etwa 450 Mitglieder, zu den Gottesdiensten kommen ungefähr 150. Wir finanzieren uns selbst. Jeder spendet, so viel er kann. Das Ziel ist, den Zehnten zu geben, aber das erreichen sicherlich nicht alle. Auch die Mithilfe in unseren zahlreichen Gruppen von der Sonntagsschule bis zum Gärtner zählt natürlich.

Was passiert bei Ihnen an einem gewöhnlichen Sonntag?

Einige kommen schon sehr früh und bereiten den Altar vor, das ist die Altar Guild, oder kümmern sich um die anschließende Kaffeestunde. Der Gottesdienst dauert eineinhalb Stunden. Es gibt Lesungen, die Predigt, das Glaubensbekenntnis und dann eine Pause für Ankündigungen. Anschließend werden diejenigen, die zum ersten Mal da sind, gebeten, sich vorzustellen, und bekommen ein kleines Willkommenspaket. Dann folgt die Kommunion, also das Abendmahl, das gehört bei uns jeden Sonntag dazu. Und es wird viel und gern und vor allem im Stehen gesungen, das ist uns sehr wichtig. Danach geht es ins Untergeschoss zum Kaffeetrinken.

Das Begrüßen der Neuankömmlinge hat einen eigenen Programmpunkt im Gottesdienst?

Ja, denn bei uns ist die Fluktuation sehr hoch. Wir haben jedes Jahr dreißig Prozent neue Mitglieder, weil viele aus beruflichen Gründen nur für ein paar Jahre in Frankfurt sind. Genauso viele ziehen wieder weg. Wir kümmern uns auch um Menschen, die von den USA nach Deutschland abgeschoben werden. Das passiert in letzter Zeit oft. Es sind meist Kinder aus deutsch-amerikanischen Ehen, die in Deutschland geboren wurden und als Kinder in die USA gingen, aber keinen amerikanischen Pass haben, weil ihre Eltern den nicht beantragt haben. Wenn sie straffällig werden, werden sie nach Deutschland abgeschoben. Sie landen hier, ohne jemanden zu kennen, ohne Wohnung, ohne die Sprache zu sprechen.

Im Rat der Religionen vertreten Sie die Gemeinden anderer Muttersprache. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?

Vor vielen Jahren hat mich unser damaliger Pfarrer gefragt, ob ich beim Ökumenischen Pfingstfest den Stand unserer Gemeinde organisieren kann. Dort habe ich die anderen Kirchen kennen gelernt, die Kopten, die Armenier, die Holländer. Später gründete sich der Internationale Konvent, zu dem heute über zwanzig Gemeinden und Kirchen gehören. Seit etwa zehn Jahren bin ich dort im Vorstand. Die Ökumene ist wirklich die Sache meines Herzens. Wir sind überwiegend kleine Gemeinden, die manche Sachen nur schwer alleine stemmen können. Aber wenn wir uns zusammentun, ist vieles möglich, zum Beispiel organisieren wir für unsere jungen Gemeindemitglieder die Mini-Fußball-Weltmeisterschaft oder Veranstaltungen zu Themen, die uns alle betreffen. Wir sind sehr dankbar, dass die evangelische Landeskirche uns dabei unterstützt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. September 2010 in der Rubrik Gott & Glauben, Menschen, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.