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Von – 1. Dezember 2010

„Idee Europa in Gefahr“

Navid Kermani diskutierte in Sankt Peter

Indem Europa seine Grenzen hermetisch abschotte und „andere dafür bezahlt, dass sie die Menschenrechte verletzen“ verrate es sich selbst: Für eine konsequente Verteidigung westlicher Werte trat Navid Kermani, Empfänger des Hessischen Kulturpreises 2009, bei einer Diskussion mit Schülerinnen und Schülern in der Jugendkulturkirche Sankt Peter ein.

Navid Kermani (2. von rechts) diskutierte in der Jugendkulturkirche Sankt Peter mit Jugendlichen über Flüchtlingspolitik. Foto: Mauricio Maranhão

Vor allem kritisierte der für sein akademisches und literarisches Werk mehrfach ausgezeichnete Orientalist Europas Verträge mit Libyen. Die dortigen Flüchtlingslager, in denen Folter und Vergewaltigung auf der Tagesordnung stünden, seien „bis hin zu den Leichensäcken“ von Europa finanziert. Mit den Menschenrechten und der „der Aufklärung verpflichteten europäischen Idee“ habe das nichts mehr gemein.

Kermani betonte, dass er nicht dafür sei, jegliche Reglementierung von Flüchtlingsbewegungen abzuschaffen. Bei der Zuwanderung bestimmte Ausbildungskriterien anzulegen und pragmatisch vorzugehen, halte er für legitim. Etwas anderes sei es jedoch, wenn es darum gehe, Menschen in Not Schutz zu gewähren. Es sei unannehmbar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel hier von „Flüchtlingsbekämpfung“ spreche.

„Man tut so, als wollten Monster nach Deutschland kommen.“ Dabei zögen sich Flüchtlingsschicksale durch die gesamte Literatur, „beginnend mit der Bibel“, betonte Kermani. In seinem Geburtsland Iran seien die Gefängnisse voller Dissidenten, und so sei es für ihn schwer zu begreifen, dass Menschen, die gegen totalitäre Regime opponieren, „nur noch auf illegalen Wegen nach Europa fliehen“ könnten.

Mit den Schrecken des Zweiten Weltkrieges vor Augen, sei früheren europäischen Staatschefs die humanistische Ausrichtung Europas noch selbstverständlich gewesen. Dafür hätten sie oftmals nationalstaatliche Interessen an zweite Stelle gerückt. Doch die Idee Europa habe inzwischen „an Strahlkraft verloren“. Dennoch hält Kermani das Projekt Europa für nicht gescheitert. Mit Blick auf die Lage von 1945 oder auf die in Griechenland und Spanien abgeschafften Diktaturen würde er sogar von einer „Erfolgsgeschichte“ sprechen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Dezember 2010 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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