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„Getauft werden – wie peinlich ist das denn?“

Wenn sich Jugendliche, die nicht getauft sind, zur Konfirmation anmelden, müssen sie sich taufen lassen. Während sie sich auf die Konfirmation gemeinsam mit ihren Freundinnen und Klassenkameraden freuen, ist die Taufe ihnen manchmal eher peinlich.

Tauf- und Konfirmationsvorbereitung in Bockenheim: Pfarrerin Ulrike Trautwein im Gespräch mit Lisa Behrens und Johanna Gander. Foto: Rolf Oeser

Lisa Behrens, Johanna Gander (beide 13 Jahre, Gemeinde Bockenheim) und Sarah Laube (14 Jahre, Dreikönigsgemeinde) werden in diesem Frühjahr sowohl getauft als auch konfirmiert. Gefragt, welches der beiden Ereignisse ihnen denn wichtiger sei, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Die Konfirmation!“

Das ist nicht weiter verwunderlich. Die Konfirmation ist ihrem Alter angemessen, Freundinnen und Klassenkameraden gehen jetzt den gleichen Schritt. Lisa und Johanna finden es gut, dass sie die Entscheidung über ihren Eintritt ins Christentum selbst treffen konnten. Lisa hat sich dazu entschieden, weil ihr Cousin ihr so begeistert von seiner Konfirmation und der Gruppenarbeit im Jahr davor erzählte. „Ich fühle mich einfach wohl hier in der Gemeinde“, sagt sie. Johanna erklärt: „Ich glaube schon an Gott. Auch wenn mein Vater denkt, dass ich mich nur wegen der Geschenke konfirmieren lassen will.“

Sarah hätte es besser gefunden, wenn sie als Kind getauft worden wäre, aber das ist in ihrer Familie nicht üblich. Sie hat schon als kleines Kind beim Krippenspiel mitgemacht, an Kinderbibeltagen teilgenommen und später eine Jungschar geleitet. Ihr war immer klar, dass sie konfirmiert werden will: „Dann gehöre ich endlich richtig zur Gemeinde.“ Dass sie dafür erst noch getauft werden muss, findet sie, neben den vielen Klassenarbeiten für die Schule, „ganz schön viel“. Lisa und Johanna scheint die Taufe fast ein wenig unheimlich zu sein.

„In diesem Alter ist alles peinlich, was aus dem Gruppenrahmen fällt“, erklärt Pfarrerin Ulrike Trautwein aus der Gemeinde Bockenheim. Um es ihr leichter zu machen, wird Johanna während der Konfirmandenfreizeit getauft, ihre Eltern sind dann nicht dabei. Lisa hat sich hingegen als Termin die Osternacht ausgesucht, wo ihre Eltern dabei sind.

„Wenn man als Kind getauft wird, findet man viel leichter Zugang zur Kirche“, sagt Pfarrerin Trautwein. „Die Eltern können ihr Kind bei der christlichen Erziehung begleiten, und es wächst einfach damit auf. Ich sehe das so: Die Taufe ist Gottes Entscheidung für den Menschen, und deshalb kann man doch auch ruhig als Baby getauft werden.“

Sarah Laube und Pfarrer Thomas Sinning in Sachsenhausen. Foto: Ilona Surrey

Seit der 68er Bewegung wollten viele Eltern ihren Kindern die Entscheidung über die Zugehörigkeit zu einer Religion selbst überlassen. „Das kann ja auch gut sein“, sagt Trautwein. „In der Realität ist es dann aber leider oft eine Entscheidung gegen die Kirche.“

Lisa, Johanna und Sarah lernten die biblischen Geschichten im Religionsunterricht in der Grundschule kennen. Sarah betrachtet Thomas Sinning, einen der Pfarrer in der Dreikönigsgemeinde, sogar als ihren „Familienpfarrer“. Er hat ihre Eltern getraut, sie in der Schule unterrichtet und ihre Großmutter beerdigt.

Auch Sinning erlebt, dass viele Konfirmanden und Konfirmandinnen die Taufe im Vorfeld eher als unangenehm empfinden: „Wir beruhigen sie dann damit, dass wir es um zehn Uhr abends in der Osternacht machen und es dann ja in der Kirche erstmal ziemlich dunkel ist.“ Der Pfarrer weiß aber auch: „Es ist schön, die Taufe bewusst zu erleben. Sie hat dann stärker den Charakter eines Bekenntnisses. Die Konfirmanden, die in der nur von Kerzen erleuchteten Dreikönigkirche getauft werden, werden sich immer daran erinnern.“

Sinning ist selbst erst kurz vor der Konfirmation getauft worden. „Das war ein bleibendes Erlebnis, an dem ich meine christliche Identität festmache“, sagt er. „Und die Frage der Identität ist in diesem Alter sehr wichtig.“ Manchmal stelle sie sich dann sogar für die ganze Familie noch einmal neu: „Will ich eigentlich dazugehören?“ Dieses Jahr sei etwa die Mutter eines seiner Konfirmanden, die aus der Kirche ausgetreten war, wieder Mitglied geworden.

Über den rechten Zeitpunkt gehen die Meinungen auseinander

Foto: Tomy / Fotolia.com

Wenn über den „richtigen” Zeitpunkt der Taufe diskutiert wird, zeigen sich unterschiedliche, ja, unversöhnliche Ansichten. Für die einen steht die Taufe fraglos am Anfang des Lebens und sollte spätestens im ersten Lebensjahr vollzogen werden. Andere halten es für richtig, das Kind selbst entscheiden zu lassen, und sehen als Zeitraum dafür zum Beispiel das Kindergarten- oder Konfirmationsalter als geeignet an. Wieder andere befürworten gleich die Erwachsenentaufe.

Leider lässt sich unter historischen Gesichtspunkten darüber keine Entscheidung treffen. Im Neuen Testament ist die „Taufe des ganzen Hauses” bezeugt. Dass Kinder und Säuglinge einbezogen waren, ist nicht bezeugt, aber auch nicht unmöglich. Zeugnisse über Kindertaufen gibt es seit dem Jahr 200, aber bis ins vierte Jahrhundert hinein herrschte in den christlichen Gemeinden noch die Erwachsenentaufe vor.

Gegen die Kindertaufe wird ins Feld geführt, dass es einen Zusammenhang zwischen Glaube und Taufe geben müsse und in diesem Zusammenhang einen der Taufe vorauslaufenden Taufunterricht. Dagegen kann man erwidern, dass die Taufe gerade nicht an eine Vorleistung des Täuflings gebunden ist. Vielmehr ist sie „Gottes unbedingtes Ja” zu seinem Kind, also eine Treue- und Liebeserklärung, die an keinerlei Voraussetzungen auf Seiten des Menschen gebunden ist, und mit der Gott sich mit dem Täufling unauflöslich verbindet: „Ich bin dein Gott und stehe zu dir und nehme dich an, wie du bist.”

Ein anderes Argument ist, der Täufling müsse selbst die Möglichkeit zu einer mündigen Entscheidung haben. Nach biblischer Einsicht freilich hat der Mensch bei der Taufe eine ganz passive Rolle. In der Taufe entscheidet sich zuallererst Gott für den Menschen, und erst in zweiter Linie begehrt dann der (mündige) Mensch die Taufe. Wer eine selbstständige Entscheidung des Menschen für die Taufe als notwendig erachtet, schließt zum Beispiel unausgesprochen die Taufe von Menschen mit schwerer geistiger Behinderung aus. Aber auch ihnen gilt Gottes Menschenfreundlichkeit.

Gute Gründe sprechen daher für die Kindertaufe. Auch, dass Kinder damit von Anfang an mit hineingenommen werden in die religiösen und ethischen Einstellungen der Familie und darin aufwachsen. Was den Eltern wichtig ist an Werten und Einstellungen, gewinnt in der religiösen Sozialisation auch für das Kind Selbstverständlichkeit und prägt sich ihm ein.

In vielen Familien wird man heute allerdings keine tiefe konfessionelle Bindung mehr voraussetzen können. Da Religiosität zum Menschen hinzugehört, sollten Eltern ihren Kindern auf jeden Fall ermöglichen, entsprechende Erfahrungen im Kindergarten, im Kindergottesdienst, in der Schule und insbesondere im Konfirmandenunterricht zu sammeln, denn es ist eine gute Voraussetzung für eine Entscheidung für oder gegen die Taufe, wenn man nicht nur etwas über die betreffende Konfession weiß, sondern auch selbst das damit verbundene Lebensgefühl gespürt hat.

Artikelinformationen

Beitrag von , , veröffentlicht am 27. April 2011 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".

Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.