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Von – 12. Februar 2012

Ingenieurin auf der Kanzel

In evangelischen Kirchen predigen sonntags nicht nur Pfarrer

Hilke Perlt ist eine von 15 neuen Prädikantinnen und Prädikanten der Propstei Rhein-Main, die im vergangen Herbst in der Lutherkirche im Nordend von Pröpstin Gabriele Scherle eingesegnet wurden. Foto: Rolf Oeser

In evangelischen Gemeinden wird der Gottesdienst am Sonntag nicht ausschließlich von Pfarrerinnen und Pfarrern geleitet. Gelegentlich übernehmen auch so genannte „Laien“, also Menschen, die nicht Theologie studiert haben, diesen Dienst. Möglich ist das, weil in den protestantischen Kirchen das Priestertum aller Gläubigen gilt. Das bedeutet, dass alle Christen und Christinnen die Heilige Schrift auslegen und den Glauben verkündigen dürfen.

Wer eine entsprechende Ausbildung durchläuft, wird sogar offiziell von der Kirche dazu bevollmächtigt, Gottesdienste und Abendmahlsfeiern zu leiten sowie zu taufen – als Prädikant oder Prädikantin.

„Sie sind mehr als nur Lückenbüßer in Vakanz- oder Urlaubszeiten des Pfarrers oder der Pfarrerin“ stellt Christiane Braungart, die zuständige Referentin im Zentrum Verkündigung der Landeskirche, klar – auch wenn diese Gefahr im Gemeindealltag durchaus manchmal besteht. Die Stärke der „Laien“ liege darin, dass sie nicht den engen, kircheninternen Blick der „Professionellen“ haben. „Durch ihre ganz persönlichen Lebens- und Berufserfahrungen und Themen geben sie dem Gottesdienst eine eigene Farbe“, betont Braungart.

In Frankfurt gibt es derzeit etwa neunzig Prädikantinnen und Prädikanten, viele von ihnen übernehmen fast jeden Sonntag Gottesdienste. Während Pfarrerinnen und Pfarrern fünf bis sechs Jahre Theologiestudium sowie eine praktische Ausbildung hinter sich haben, werden die Prädikantinnen und Prädikanten zwei Jahre lang in etwa hundert Unterrichtsstunden ausgebildet. Dort lernen sie, wie man zum Beispiel Liturgien gestaltet, Predigten verfasst, oder wie man „liturgische Präsenz“ erreicht.

Parallel dazu absolvieren sie auch ein Praktikum in einer Gemeinde. „So kann man nach und nach in die Gottesdienstpraxis hineinwachsen“, erzählt Hilke Perlt, die seit September Prädikantin in der Gemeinde Griesheim ist. Die Diplom-Bauingenieurin beginnt ihre Vorbereitung auf einen Gottesdienst ganz ähnlich wie eine Pfarrerin: „Ich versuche, möglichst früh den entsprechenden Bibeltext zu lesen, damit ich dann noch ein wenig Zeit habe, um den Text die Woche über im Hinterkopf arbeiten zu lassen.“

Das konkrete Herangehen unterscheidet sich dann aber doch: „Ich kann den Text natürlich nicht tieftheologisch auslegen, sondern finde meinen Einstieg eher aus dem Leben heraus“, sagt Perlt. Darin kann jedoch gerade auch die Stärke einer Predigt liegen: Der Praxisbezug erleichtert es den Gottesdienstbesuchern, einen Anknüpfungspunkt zu finden. Gleichzeitig stellt eben jene Fähigkeit, anderen anhand eines Textes etwas über die persönlichen Glaubenserfahrungen zu vermitteln, eine Schlüsselqualifikation für den Prädikantendienst dar.

In Prinzip können alle dieses Amt übernehmen, die die formalen Voraussetzungen erfüllen, also am Gemeindeleben teilnehmen und getauft, konfirmiert und volljährig sind. Essenziell sei natürlich ­eine „Liebe zum gottesdienstlichen Geschehen und zur Gestaltung“, betont Christiane Braungart. „Man muss einen Blick für die interessanten Fragen haben, ein Kind seiner Zeit sein“, so ihre Empfehlung.

Wer sich für eine Prädikanten-Ausbildung interessiert, kann sich dafür beim Kirchenvorstand der Gemeinde bewerben. Häufig werden geeignete Menschen auch von der Gemeindepfarrerin oder dem Gemeindepfarrer angesprochen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 12. Februar 2012 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe .

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Sara Wagner ist Mitglied der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt" und Studentin der Kulturwissenschaften.