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Aktuell

Von – 2. April 2012

Evangelische in Spitzenämtern

Als Pfarrer Joachim Gauck von einer breiten Koalition fast aller Parteien für das Amt des Bundespräsidenten nominiert wurde, rückte sein Beruf in die Mitte des Interesses. Hat die evangelische Kirche zu viel Einfluss in der Politik? Zumal mit Angela Merkel bereits eine Pfarrerstochter Kanzlerin ist.

Joachim Gauck und Angela Merkel drücken zusammen die Kirchenbank – hier bei einem Gottesdienst in Berlin vor zwei Jahren. Foto: Andreas Schölzel/epd-Bild

Bei der Suche nach geeigneten Personen neben Gauck waren ja auch noch viele andere prominente Protestantinnen und Protestanten im Gespräch: der frühere Bischof Wolfgang Huber, die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckhardt, oder auch Margot Käßmann. Was jetzt in Berlin für Verblüffung sorgte, hat in Frankfurt schon eine lange Tradition – führende Protestanten in politischen Spitzenfunktionen. So war der langjährige Bürger­meister Hans-Jürgen Moog (CDU) auch Versammlungsleiter des Frankfurter Kirchenparlaments. Christof Warnke (CDU) gehörte nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst als Pfarrer ehrenamtlich dem Magistrat an, genauso wie Jean-Claude Diallo (Grüne), der als Fachbereichsleiter des ­Evangelischen Regionalverbandes auch Dezernent für Multikulturelle Angelegenheiten war. Volker Stein (FDP) war sogar stellvertretender Vorsitzender des Verbandes, als er Dezernent wurde. Und derzeit gehört Verkehrsdezernent Stefan Majer (Grüne) dem Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt an.

Jahrelang sprach die Sozio­logie vom „schleichenden Bedeutungsverlust“ der beiden gro-ßen Kirchen. Ihre Mitgliederzahl schrumpft schließlich kontinuierlich. Markiert der politische Einfluss führender Protestanten eine Trendwende? Eher nicht. Paradoxerweise bestätigen die jetzt geführten Diskussionen eher die These – denn wäre es normal, protestantisch zu sein, müsste man nicht darüber reden.

Zwar traut man der evangelischen Kirche in ihrer weltlichen Offenheit eine gewisse moralische Autorität und Ehrlichkeit zu, aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ein Vermittlungsproblem hat. Nach einer vom Hessischen Rundfunk in Auftrag gegebenen Studie „Was glauben die Hessen?“ gelingt es ihr nicht, zentrale Glaubensüberzeugungen selbst ihren eigenen Mitgliedern zu vermitteln. Die Säkularisierung und damit

der wachsende Bedeutungsverlust beider Kirchen wird also weitergehen – trotz protestantischer Top-Politiker. Und auch wenn angesichts boomender Esoterik und zahlreicher Wiedereintritte manche von einer Renaissance der Kirche träumen: Es sinkt nicht nur die Zahl der Mitglieder, sondern auch die Bindefähigkeit.

Diesen Trend kann auch Joachim Gauck nicht stoppen. Aber Charisma, Ehrlichkeit und klare Werte im Schloss Bellevue zu wissen, ist für alle Deutsche, gleich welcher Religion sie angehören, ein Gewinn.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 2. April 2012 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.