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Von – 3. Mai 2012

Nie war Altwerden schöner

Alte Menschen haben heute mehr Möglichkeiten als früher. Probleme beim demografischen Wandel drohen nicht durch das Altern, sondern durch soziale Ungleichheit. 

"Alt ist man heute erst mit 80!" Gerhard Wegner vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD ist Experte für den demografischen Wandel. Foto: Antje Schrupp

Nie hatten alte Menschen so viele Chancen und Möglichkeiten wie heute. Gleichzeitig wird es aber in Zukunft ein großes Armutsproblem unter älteren Menschen geben. Dieses Fazit ergab eine Tagung zur „Zukunft des Alterns in Hessen“ gestern Abend im Haus am Dom.

Die Bevölkerung Hessens wird bis zum Jahr 2060 von derzeit 6 Millionen auf 4,9 Millionen schrumpfen, der Anteil der Über-60-Jährigen steigt dabei auf ein Drittel: Der demografische Wandel, also der wachsende Altersdurchschnitt der Bevölkerung, sei nicht aufzuhalten, sagte Hejo Manderscheid vom Caritasverband.

Doch was diese Zahlen konkret im Alltag bedeuten, ist noch lange nicht ausgemacht. „Aus der Zahl der Lebensjahre kann man heute fast nichts mehr ableiten“, betonte Gerhard Wegner vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das Alter als Lebensphase habe sich individualisiert und ausdifferenziert. Menschen leben länger, sie sind im Durchschnitt auch länger gesund. Derzeit haben die meisten Menschen im Alter auch relativ viel Geld zur Verfügung.

„Alt ist man heute erst mit achtzig“

Mit dem Erreichen des Rentenalters beginne heute eine neue Lebensphase, so Wegner: Alt fühlen sich die Menschen mit 60 oder 65 Jahren noch nicht. „Es steigt die Nachfrage nach Trennungs- und Scheidungsberatung für 65- bis 70-Jährige.“ Als alt gilt heute erst, wer über 80 ist: „Auch das Alter veraltert.“

Deshalb seien starre Altersgrenzen heute nicht mehr sinnvoll, sondern diskriminierend, meinte Wegner, der auch Mitglied der Kommission zum Sechsten Altenbericht der Bundesregierung ist. „Die Grenze von 65 oder 67 Jahren wird als willkürlich empfunden.“ Er tritt dafür ein, Altersgrenzen generell aufzuheben und zum Beispiel das Renteneintrittsalter durch eine flexible Lebensarbeitszeit zu ersetzen.

Wenn man Grundsicherung braucht, ist die Riester-Rente futsch

„Nicht das Alter ist das Problem, vor dem wir stehen, sondern die soziale Frage“, betonte Wegner. „Wer 45 Jahre lang für einen Lohn von 7,50 Euro die Stunde arbeitet, kommt heute im Alter nicht mal auf eine Rente in Höhe der Grundsicherung“. In so einem Fall ist dann auch eine eventuell angesparte Riester-Rente futsch: Deren Erträge werden nämlich von der Grundsicherung abgezogen. „Da ist es besser, das Geld gleich auszugeben.“

Podium zur "Zukunft des Alterns", ganz rechts Stefan Körzell vom DGB Hessen-Thüringen. Foto: Antje Schrupp

Das Problem der drohenden Zwei-Klassen-Gesellschaft wurde auch auf zwei anschließenden Podien mit Verbandsvertretern und Politikerinnen deutlich: „Der heutige männliche Durchschnittsrentner hat 1051 Euro zur Verfügung, die Neueintritte nur noch 961“, rechnete etwa Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund vor. Frauen haben noch weniger. Hinzu kommt, dass die Chancen Älterer auf einen Arbeitsplatz nicht gut stehen.

Die Sozialsysteme sind noch überhaupt nicht auf den demografischen Wandel eingestellt. Defizite Seitens der Politik sahen die Expertinnen und Experten auch in der Vorsorge für den steigenden Pflegebedarf. Hier würden nicht genug Pflegekräfte ausgebildet, außerdem sei die Halbherzigkeit der neuesten Pflegereform „eine mittlere Katastrophe“, so Hejo Manderscheid.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. Mai 2012 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

Kommentare zu diesem Artikel

  • alivenkickn schrieb am 10. Mai 2012

    Dieser Tage flatterte mir das „Evangelische Frankfurt“ die Zeitung der evangelischen Kirche in Frankfurt/Main ins Haus.

    Als mein erster Blick auf den Eyecatcher „Nie war Altwerden schöner“ fiel mußte ich lauthals lachen. In Zukunft drohen aber Probleme durch soziale Ungleichheit.

    Diese Unterüberschrift genügte mir im Grunde genommen schon. Auf weiterlesen hatte ich da eigentlich keine Lust mehr . . . . .

    „Zukunft des Alterns in Hessen“ war ein Tagung die kürzlich stattgefunden haben muß und die der Auslöser für diesen Artikel war.

    Ich gehe jetzt nicht weiter auf den Artikel ein sondern einfach mal voll in das Leben. Und da ich heute meinen zynischen Tag habe werde ich faul wie ich bin einfach mal paste und copy von Antworten von mir die ich in Foren und zu Themen auf meinem Blog geschrieben habe hier anführen.

    In einem HIV Forum fragte mich jemand wie lange wir schon infiziert sind.

    Meine Antwort darauf:

    „leben beinhaltet älter werden. älter werden bedeutet veränderung. die kunst ist es diese veränderungen die idr körperlicher art sind anzunehmen. wenn du nicht mehr die dinge tun kannst die du tun konntest als du jung, knackig und dynamisch warst dann kommt dir immer mal wieder ein „fuck the duck“ über die lippen. insofern spielt hiv nicht mehr die rolle in meinem leben. es ist das leben . . . und da gehört wie gesagt krankheit hiv dazu“

    Nein alt werden ist per se alles andere als schön geht es doch immer um die alt bekannten Themen „Annahme und Loslassen“, „Abschied, Trauer und Schmerz“. Und dies auf der ganz banalen persönlichen Ebene. -> http://alivenkickn.wordpress.com/a-day-in-the-life/kognitive-storungen-trotz-unterdruckter-vl/polyneuropathie/ich-bin-wutend/

    Seit 12 Jahren bin ich Betreuer meiner Mutter. Bis zum 24. Juli des letzten Jahres lebte sie in ihrem eigenen Haus. Am 25. Juli zog sie in ein Altenpflegeheim in Frankfurt ein. So wie ihr geht es vielen alten Menschen. Jedesmal wenn ich meine Mutter besuche und in die Gesichter der überwiegend alten Frauen die mir auf den Fluren begegnen nehme ich wahr das „alt sein“ alles andere als schön ist. Das was ich in bei Vielen in ihrer Blicke wahrnehme ist ales anders als das was man als „schön“ bezeichnet. Trauer und Schmerz darüber weil sie (wie ich aus Gesprächen weiß) nur selten besucht werden. Schmerz über den Verlust der lieb gewonnenen Umgebung, nicht mehr im ihrem Haus, ihrer Wohnung leben zu können. Nein, Alt sein ist alles andere als schön. http://alivenkickn.wordpress.com/leben-im-alter-3/

    Wobei hier muß ich eine Lanze für Frankfurt brechen. Frankfurt hat einen Standard für Altenpflege durch den Frankfurter Verband gesetzt und das Rathaus für Senioren der sich von anderen Städten schon hervorhebt.

    Die sozialen Bedingungen haben sich in den letzten 10 Jahren derart verschlechtert das einem vor dem Älter werden nur graust. Wenn gespart und gekürzt wird dann überwiegend in den sozialen Bereichen.

    Die politischen Rahmenbedingungen sind alles andere als „gut“. http://alivenkickn.wordpress.com/2012/04/27/aus-fu%CC%88r-den-regenbogendienst-der-aids-hilfe-frankfurt-2/

    Die politischen Rahmenbedingungen sind alles andere als das man sagen könnte das man ein „Leben im Alter – Leben in Würde“ führen kann. http://alivenkickn.wordpress.com/2008/09/22/wie-werde-ich-leben-when-iam-64/

    Dies trifft für den größten Teil der Bevölkerung zu. Ausgenommen für diejenigen die auch im Alter finanziell gut abgesichert sind und/oder in einem funktionierenden Familiensystem leben.

    „Die Grenze von 67 Jahren wird als willkürlich empfunden“ heißt es in dem Artikel und bezieht sich auf § 35 Satz 2 SGB VI wird die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht. . . . . und ich dachte immer ich wär zynisch . . .