Regierungen sind nach Auffassung der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan dringend auf die Kompetenzen der Zivilgesellschaft angewiesen.Schwan war auf Einladung der Martin-Niemöller-Stiftung und des Diakonische Werkes nach Frankfurt gekommen.
Da sich die Politik in den Zwängen eines Wettbewerbssystems bewege, liege in deren Nutzung die „einzige Chance, die parlamentarische Demokratie voranzubringen“, sagte die Präsidentin der Berliner Humboldt-Viadrina School of Governance bei der Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie am Römerberg.
Freude bereite ihr die wachsende Zahl junger Menschen, denen der Sinn wichtiger sei als die Karriereleiter, sagte schwan. Nach ihrer Einschätzung orientiere sich die Gesellschaft nicht mehr vor allem am Markt, wenn auch die Ungleichheiten der Lebensverhältnisse nach wie vor gravierend seien.
Für den Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau, Wolfgang Gern, hat die Kluft zwischen Arm und Reich längst ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Die seit Jahren wachsende Armut sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch viele Kommunen stünden mit leeren Händen da. „Wir haben uns praktisch vom Sozialstaat verabschiedet“, sagte der evangelische Theologe. Dabei habe das Bundesverfassungsgericht wiederholt bestätigt, dass soziale Hilfe keine Gnade, sondern ein gutes Grundrecht sei.
Der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und langjährige Präses der Kirchenprovinz Sachsen, Reinhard Höppner, forderte Solidarität mit den Menschen in den neuen Ländern ein. Durch die Wende sei er zwar von der dritten Klasse in den Speisewagen gewechselt. Doch sitze er noch immer in einem Zug, der in die falsche Richtung fahre.