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Von – 29. April 2013

Von Vorurteilen und Zerrbildern: Ausstellung über Juden und Geld

„Juden. Geld. Eine Vorstellung“ ist der Titel einer Ausstellung des Jüdischen Museums, die noch bis zum 6. Oktober im ehemaligen Rothschild-Palais am Untermainkai zu sehen ist.

Die Bilder sind bis heute in den Köpfen: Graffiti an der Baustelle der Europäischen Zentralbank im Ostend, wo der geldgierige Mensch mit antisemitischen Stereotypen wie der "typisch jüdischen" Hakennase dargestellt ist. Foto: Alfons Maria Arns / Jüdisches Museum

Die Bilder sind bis heute in den Köpfen: Graffiti an der Baustelle der Europäischen Zentralbank im Ostend, wo der geldgierige Mensch mit antisemitischen Stereotypen wie der „typisch jüdischen“ Hakennase dargestellt ist. Foto: Alfons Maria Arns / Jüdisches Museum

Der erste Raum ist die Hölle. Eine Flammentapete bedeckt die Wand im Jüdischen Museum Frankfurt am Main. In der Hölle wähnten die Christen im Mittelalter die Juden, wie Liliane Weissberg erklärt. Die Literaturwissenschaftlerin aus Philadelphia hat

Die Schau thematisiere „eine der zentralsten antisemitischen Vorstellungen“, die bis in die Gegenwart wirksam sei, sagt Direktor Raphael Gross. Das Bild und Vorurteil vom „reichen Juden“ sei bis in die Gegenwart prägend. Wenn Juden in vergangenen Jahrhunderten reich geworden seien, sei ihnen dies moralisch vorgeworfen worden. Juden verdienten Geld ohne Arbeit, so der Vorwurf, sie nähmen Zinsen nur für das Vergehen von Zeit. Diese Vorstellung reiche bis zu den Nationalsozialisten, die verkündeten, Juden müssten zur Arbeit gezwungen werden.

Zutritt zu Zünften und Handwerk verwehrt

Juden wurden im Mittelalter zum Handel und Geldverleih gedrängt, weil ihnen der Zutritt zu den Zünften und damit zu den Handwerksberufen verwehrt wurde, erklärt Weissberg. Mit dem Geldverleih gegen Zins verbanden die Christen die Todsünden Trägheit, Geiz und Neid. Zeitgenössische Gemälde zeigen, wie Jesus die Geldwechsler aus dem Tempel vertreibt oder wie der Tod einen Juden holt. Zu sehen ist auch ein Flugblatt mit der Schrift Martin Luthers „Ein Sermon von dem Wucher“, das Titelbild ziert das Zerrbild eines Juden.

Im Zeitalter des Absolutismus etablierten sich jüdische „Hoffaktoren“, die Fürsten Geld für Staatsanleihen zur Verfügung stellten und damit den Staatsaufbau nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges finanzieren halfen. Daneben blieb der jüdischen Bevölkerung der schwierige und riskante Handel mit Importprodukten aus fernen Ländern vorbehalten, wie Zucker, Tabak, Gewürze und Seide. Erstmals ließen sich „Hofjuden“ porträtieren, einige Beispiele sind in der Ausstellung zu sehen, so auch das Gemälde eines weiblichen Finanziers, Chaile Kaulla aus Stuttgart.

Warenhäuser voller Pracht

Exponate wie eine historische Goldbarrenwaage und ein Tresor stehen für die Entwicklung des Bankierwesens im 19. Jahrhundert, die von jüdischen Finanzexperten vorangetrieben wurde. Jüdische Handelsunternehmer gründeten um 1900 Warenhäuser in der Gestalt von Adelspalästen, aber offen für jedermann. Ihre Pracht ist auf Fotografien wie vom Lichthof des Berliner Warenhauses Wertheim zu sehen.

Dem jüdischen Mäzenatentum ist eine eigene Abteilung gewidmet, da für Juden das Geben für die Gemeinschaft ein Gebot sei, erklärt Weissberg. Was zunächst der jüdischen Gemeinde zugute kam, davon profitierte nach der Emanzipation und der Verleihung des Bürgerrechts auch der Staat, so etwa die Stiftungsuniversität Frankfurt bei ihrer Gründung oder die Staatlichen Museen Berlin durch die Schenkung der Nofretete-Büste. Die Schau zeigt hier eine feine Silberarbeit, eine „Zedaka-Büchse“ zum Geldsammeln.

Nach 1945 war nicht alles anders

In eine Sackgasse führt der Ausstellungsraum mit Bezug auf die Inflationszeit Anfang der 1920er Jahre und den Nationalsozialismus. Hitler habe die in den 20er-Jahren angeheizten antisemitischen Klischees aufgegriffen und fortgeführt, sagt Weissberg. So ist auf einem Tausend-Mark-Schein von 1922 der Aufdruck zu lesen: „Das Gold, das Silber und den Speck nahm uns der Jud und ließ uns diesen Dreck“, verbunden mit einem Hakenkreuz. In einer Vitrine liegt eine Schweizer Zwanzig-Franken-Goldmünze von 1935, ein „Goldvreneli“, die als Taufgeschenk gedient haben soll. Das Gold ist aller Wahrscheinlichkeit nach Juden und Jüdinnen in Deutschland geraubt worden, wie Dokumente nahelegen.

Nach 1945 ist nicht alles anders: Zeugnisse in Literatur und Medien zeigten, dass die Vorstellung vom „reichen Juden“ weiterhin in den Köpfen stecke, sagt Weissberg. Unter den Beispielen befindet sich das Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder, „Der Müll, die Stadt und der Tod“ (1975), vor dessen Aufführung im Frankfurter Schauspiel Vertreterinnen und Vertreter der Jüdischen Gemeinde die Bühne besetzten und die Aufführung verhinderten. Zitiert wird auch die Interviewanfrage eines chinesischen Fernsehsenders: „Im Zweiten Weltkrieg haben die Juden großes Unrecht erlitten. Glauben Sie, dass das mit dem Reichtum der Juden zu tun hat?“

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr geöffnet, Untermainkai 14/15. In einem Begleitprogramm vertiefen wissenschaftliche Vorträge einzelne Themen. Ein umfangreicher Katalog ist erhältlich. Mehr unter www.juedischesmuseum.de.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 29. April 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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