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Von – 16. November 2015

Füreinander sorgen: „Care“ und die Religionen

Was sagen Judentum, Christentum und Islam zur Verantwortung, die Menschen für ihr eigenes Wohlergehen und das ihrer Mitmenschen haben?  Wie wird die Ausübung von Fürsorge konkret gestaltet? Und welche Rolle spielt dabei das Geschlecht? Darum ging es bei einer Veranstaltung der interreligiösen Fraueninitiative „Sarah und Hagar“.

Nicht nur Familien, auch religiöse Gemeinschaften sind Orte, an denen Menschen "füreinander sorgen". Zum Beispiel, in dem sie Gelegenheiten zum geselligen Beisammensein bieten, wie hier bei einem herbstlichen Kaffeetrinken in der Nicolaigemeinde. Foto: Rolf Oeser

Nicht nur Familien, auch religiöse Gemeinschaften sind Orte, an denen Menschen „füreinander sorgen“. Zum Beispiel, in dem sie Gelegenheiten zum geselligen Beisammensein bieten, wie hier bei einem herbstlichen Kaffeetrinken in der Nicolaigemeinde. Foto: Rolf Oeser

Wie wird die Ausübung von Fürsorge konkret gestaltet? In welchem Verhältnis stehen Erbarmen und Gerechtigkeit zueinander? Wie wird die zu leistende Arbeit, die Care-Arbeit, zwischen den Geschlechtern aufgeteilt und wie diese Aufteilung rechtfertigt? Solche Fragen stellte die interreligiöse Fraueninitiative „Sarah und Hagar“ im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum zur Diskussion.

In Zeiten von Globalisierung und gesellschaftlicher Pluralisierung suchen die Frauen von „Sarah und Hagar“ nach Wegen, die über die Grenzen ihrer eigenen religiösen Zugehörigkeit hinausreichen. Sie wollen voneinander lernen, wie die besten, die befreienden Elemente der verschiedenen Traditionen mobilisiert werden können, um gemeinsam, aber in Verschiedenheit ein gutes Leben für alle zu gestalten. Unter dem Titel „Füreinander Sorge Tragen – Religion, Säkularität und Geschlecht in der globalisierten Welt“ hat die Gruppe dazu bereits ein Buch herausgegeben.

Unbezahlte und unsichtbare Sorgearbeit

Zunächst berichteten die Teilnehmerinnen aus persönlicher Erfahrung im Umgang mit „Care“, mit meist unbezahlter und unsichtbarer Sorgearbeit. Doch es wurde schnell klar, dass es nicht genügt, private Lösungen für gesellschaftliche Missstände zu suchen, so wichtig dies auch ist. Es müsse ein generelles Umdenken geben, weil die derzeitige Politik und Wirtschaftslogik das Leben vieler Menschen immer prekärer macht. Nicht der Profit einzelner Unternehmen, sondern die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse müsse wieder ins Zentrum von Ökonomie gestellt werden: „Wirtschaft ist Care”.

Auch die Religionen machen die Bedürftigkeit des Menschen zum Maßstab des Handelns und entwerfen entsprechende Konzepte von Wirtschaft, allerdings auf unterschiedliche Weise. Im Judentum etwa sei das, was ein Mensch tut, wichtiger als das, was geglaubt wird, erläuterte die jüdische Gesprächsteilnehmerin Petra Kunik. So habe der jüdische Philosoph Maimonides gelehrt, dass eine wichtige Form der Fürsorge darin besteht, Bedingungen zu schaffen, unter denen Bedürftige sich selbst helfen können.

Für Care-zentrierte Politik und Ökonomie

Das christliche Leitbild vom „barmherzigen Samariter“ erläuterte Pfarrerin Gisela Egler Köksel. Es lade ein, in jedem Bedürftigen den Menschen zu erkennen, ohne Ansehen des sozialen Status, des Geschlechts oder der religiösen oder nationalen Zugehörigkeit. Alle Menschen sind sowohl Bedürftige als auch Fürsorgende – oder könnten es zumindest sein.

Im Koran seien sowohl Mann als auch Frau Gottes Stellvertreter auf Erden, erläuterte die Muslima Seray Karaoguz. Und weil Gott auch „der Barmherzige“ ist, sollten beide gleichermaßen Barmherzigkeit aneinander üben und sich für das Wohlergehen der jeweils anderen verantwortlich fühlen.

Die Soziologin Brigitte Kress war erstaunt, dass ihr Appell für eine säkulare Gesellschaft als Voraussetzung für das Zusammenleben von Religionen auf keinerlei Widerspruch traf: „Das scheint überhaupt kein Thema zu sein.“ Tatsächlich suchen die Frauen des interreligiösen „Trialogs“ gerade das Gespräch mit säkularen, gesellschaftlichen und politischen Instanzen, um für die Umsetzung einer Care-zentrierten Politik zu werben und die Allianz für eine notwendige Veränderung der derzeitigen Wirtschaftsordnung zu verbreitern.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 16. November 2015 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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