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Von – 18. November 2015

Politik für ein „Gutes Leben“: Alberto Acosta in der Matthäuskirche

Alberto Acosta ist Wirtschaftswissenschaftler und war Regierungspolitiker in Equador. Heute ist er als politischer Aktivist für eine Ökonomie des „Buen Vivir“, des guten Lebens, unterwegs – jetzt war er in der Frankfurter Matthäuskirche.

Früher Regierungspolitiker in Equador, heute Aktivist für nachhaltiges Wirtschaften: Alberto Acosta bei seinem Vortrag in der Matthäuskirche. Foto: Rolf Oese

Früher Regierungspolitiker in Equador, heute Aktivist für nachhaltiges Wirtschaften: Alberto Acosta bei seinem Vortrag in der Matthäuskirche. Foto: Rolf Oese

Solidarität statt Egoismus, Genügsamkeit statt maßloser Konsum, Gemeinsinn statt Profitmaximierung. Und ein schonender Umgang mit der Natur: Solche ambitionierten Staatsziele nahm Ecuador 2007 in seine Verfassung auf. Zusammengefasst unter dem Begriff des „Buen Vivir“ (gutes Leben) sollten sie den Anstoß zu einem grundsätzlichen Wandel der Gesellschaft liefern.

Alberto Acosta war damals Präsident der verfassungsgebenden Versammlung und maßgeblich daran beteiligt, die traditionellen Grundsätze der Andenvölker zu verbindlichen Richtlinien zu deklarieren. Der Vorstoß hätte weltweit Zeichen setzen können – tatsächlich stand er aber nur auf dem Papier. Nachdem Acosta erkannte, dass Präsident Rafael Correa die Vorgaben völlig ignorierte, verließ er das Kabinett.

Seither versucht der Wirtschaftswissenschaftler, die Ideen des „Buen Vivir“ auf anderen Wegen publik zu machen. Zum Beispiel begleitet er die Band „Grupo Sal“, die sich als Kulturbotschafterin Lateinamerikas versteht, auf Tourneen. Zurzeit sind sie in Europa unterwegs und machten dabei auch Station in der Frankfurter Matthäuskirche.

Die Krisen im Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialbereich würden in immer kürzeren Abschnitten aufeinander folgen, sagte Acosta, ein anderer Lebensstil sei deshalb mehr als überfällig. An vielen Orten würden auch bereits Vorstellungen, die sich an „Buen Vivir“ orientieren, umgesetzt. Als Beispiele nannte er die Einführung des „Bruttosozialglücks“ in Bhutan, europäische Regionalwährungen, gemeinschaftliche Wohnprojekte oder Gemeinwohlökonomie.

„Buen Vivir ist keine Erfindung der Andenvölker“, stellte Alberto Acosta klar. Ähnliche Konzepte seien in allen Erdteilen zu finden. In Afrika spreche etwa die Ubuntu-Philosophie von einem universellen Band des Teilens, das alles Menschliche verbindet. Auch Papst Franziskus ermahne in seiner Enzyklika „Laudato Si“ zu einem Umdenken im Sinne von „Buen Vivir“.

Unter welchem Begriff das Postulat vom guten Leben auch firmiert, die Kernaussage bleibe stets die gleiche: „Menschen sind Gemeinschaftswesen und Teil der Natur.“ Aus diesem Grund führt für Acosta kein Weg daran vorbei, Reichtum umzuverteilen, die Güterproduktion zu dezentralisieren und das Prinzip der Solidarität voranzutreiben. Außerdem sei es so dringlich wie nie, den Raubbau an der Natur zu stoppen. „Der Mensch hat bereits 75 Prozent der Biodiversität zerstört und fast alle Ressourcen aufgebraucht.“

Doch wenn sich weltweit alle „Buen Vivir“-Bewegungen zusammen tun, könnten Politik und Ökonomie unter Druck zu setzen, ist Alberto Acosta gewiss: „Die Welt ist reif für etwas Neues.“ Zumal sich der „Wachstumswahn“ in keiner Weise auf Wohlgefühl und Zufriedenheit auswirke, wie man an den USA gut sehen könne: „Obgleich in Amerika das Bruttosozialprodukt in den vergangenen sechzig Jahren ständig gestiegen ist, blieb der Glückindex unverändert.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 18. November 2015 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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