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Von – 21. März 2016

Barmherzig sein

Ein Thementag mit Fulbert Steffensky

Foto: Meike Böschemeyer / epd-bild

Foto: Meike Böschemeyer / epd-bild

Ein „heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ ist 2016 für die katholische Kirche. Als Experten für das Thema hatten die Frankfurter Katholiken einen evangelischen Theologen ins Haus am Dom eingeladen: Fulbert Steffensky, der 1968 gemeinsam mit seiner Frau Dorothee Sölle das politische Nachtgebet entwickelt hat, und für den soziale Gerechtigkeit seither ein Hauptthema ist.

Barmherzig zu sein, ist laut Steffensky nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch des Glaubens: Die „sechs leiblichen Werke der Barmherzigkeit“ – die Hungrigen speisen, den Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke pflegen, Gefangene besuchen – seien nach dem Matthäusevangelium eng an Jesus gebunden: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Die Forderung, Fremde aufzunehmen, lag Steffensky aus aktuellem Anlass besonders am Herzen. Schon im Alten Testament habe neben der durchaus natürlichen Angst vor dem Fremden die Forderung gestanden, Fremde nicht nur zu dulden, sondern ihnen Rechte zu geben. Insofern stehe das Asylrecht in jüdisch-christlicher Tradition. „Das Auge des Fremden, der in unserem Land Schutz sucht, ist das Auge Gottes, das um dein Erbarmen bettelt.“

Über die Fremden dürften aber die Armen nicht vergessen werden. Armut, sagte Steffensky, fängt früh an: „Als Anhäufung von Lebensbedingungen unter dem Durchschnitt: Beengt wohnen, ungesund essen, über das Schulische hinaus keinen Zugang zu Bildung und kaum Erholung haben, sowie wenig Partizipationsmöglichkeiten.“

Materielle Armut führe aber oft auch zu innerer Verwüstung – davon legten die Gefängnisse und psychiatrischen Anstalten Zeugnis ab. Eine zeitgemäße Dimension der Moral könne nicht mehr nur auf den Menschen ausgerichtet sein, sondern müsse auch für Tiere, für Bäume, für Wasser und Gletscher gelten, betonte der Theologe zudem: „Während in der alten Welt der Nächste wirklich der Nachbar war, sind es heute auch unsere Kinder und Enkel, mit denen wir barmherzig sein müssen.“

Grundbedingung aller Barmherzigkeit sei es, der eigenen Sterblichkeit zuzustimmen, in Demut anzuerkennen, dass „wir ein Teil vom Ganzen sind“. Dem dienten auch die „sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit“: den Zweifelnden Recht raten, die Unwissenden lehren, die Sünder zurechtweisen, die Betrübten trösten, Beleidigungen verzeihen, die Lästigen geduldig ertragen, für die Lebenden und die Verstorbenen zu Gott beten.

Vor allem das Verzeihen hob Steffensky hervor: Es gelte auch sich selbst. Man solle sich also nicht ständig vor Augen halten, was man im Leben eventuell alles falsch gemacht habe: „Es gibt auch eine negative Eitelkeit.“ Das „Lehren der Unwissenden“ wiederum bezog Steffensky vor allem auf Kinder. „Die Bilder des Glaubens sind ein Reichtum“, betonte er. Die Frage sei nicht: Darf man Kinder religiös erziehen? sondern: Darf man ihnen Religion vorenthalten?

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 21. März 2016 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".