Wo verläuft die Grenze zwischen Kunst und politischem Engagement? Um die Rolle des Theaters angesichts von Flucht ging es auf Einladung der Evangelischen Akademie Frankfurt im Theater Willy Praml.
Flüchtende trugen im antiken Griechenland einen mit Baumwolle umwickelten Ölzweig in der Hand. In Heiligtümern fanden sie Schutzräume. Die Danaiden in Aischylos Tragödie „Die Schutzflehenden“ mussten dieses Recht mit der kollektiven Androhung von Suizid durchsetzen, sagt Jörn Etzold vom Frankfurter Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Ein weiter Bogen spannt sich an diesem Abend in der Naxoshalle von der antiken Tragödie bis zur heutigen Theaterarbeit mit Geflüchteten in Frankfurt, und nimmt auch die politischen Kunstaktionen des Berliner Zentrums für politische Schönheit in den Blick.
„Die Grenze zwischen Kunst und politischem Engagement scheint sich neu zu sortieren“, sagt Ralph Fischer von der Evangelischen Akademie Frankfurt. Theater bekennen sich nicht nur mit Transparenten an ihren Fassaden zum Grundrecht auf Asyl, sie machen auch Menschen im Zwischen- und Grenzstatus des Asylverfahrens sichtbar. Beispielsweise im Theaterprojekt „Frankfurt Babel“ mit 15 einheimischen und 15 geflüchteten Jugendlichen. Martina Droste, Leiterin des Jungen Schauspiel Frankfurt, berichtet, wie sich Jugendliche aus zwölf Nationen, die 23 Sprachen sprechen, der großen Utopie des Turmbaus zu Babel näherten. Aus dem Reichtum und der Vielfalt ihrer verschiedenen Sprachen und Lebensgeschichten entwickelten sie in der Theaterarbeit gemeinsam eine Vision für die Zukunft.
Ganz anders als geplant verlaufen derzeit die Proben zu Heinrich von Kleists „Das Erdbeben in Chili“ im Theater Willy Praml. Denn anstelle der gesuchten professionellen geflüchteten Theaterleute kamen fast 50 Enthusiasten, von denen die wenigsten je auf einer Bühne gestanden waren. Sie erhoffen sich durch die Mitarbeit Impulse für ihre Zukunftsplanung. Ziel ist es, Heinrich von Kleist, den „Nationalliteraten, in dieses Flüchtlingsgeschehen so einzubinden, dass es für alle einen Sinn macht“, sagt Theatermacher Willy Praml. Zurzeit erarbeiten Geflüchtete und Ensemble das Stück in drei Sprachen, die in der Aufführung verschmelzen sollen.
Das Theater als Raum für konkrete Aktionen politischer Schönheit lässt Joschka Fleckenstein vom Berliner Zentrum für politische Schönheit vor den rund 25 Gästen des Abends lebendig werden. Politische Aktionen und Kunst werden eins, wenn ein „Jahrhundertwerk der Humanität“, nämlich eine Brücke über das Mittelmeer zwischen Afrika und Europa gebaut werden soll. Um das „stille Sterben“ im Mittelmeer schon vorher wirksam zu bekämpfen, sollen 1000 Rettungsplattformen im Meer installiert werden. Eine, die Aylan 1, schwimmt bereits. Der „Erste Europäische Mauerfall“ bildete 2014 den Auftakt zum Festival Voicing Resistance am Berliner Maxim Gorki Theater. Vom Theater aus starteten 25 Jahre nach dem Mauerfall zwei Reisebusse voller Aktivisten und Aktivistinnen mit Bolzenschneidern zum bulgarisch-griechischen Grenzzaun. Sie wollten den neuen Eisernen Vorhang abbauen, zum „Geh-Denken“ an den Mauerfall, der für die EU-Außengrenzen nicht gilt. Mehr als 30.000 Menschen starben bereits, als sie sie überwinden wollten.
Informationen: www.politicalbeauty.de. Nächste Aufführungen von „Frankfurt Babel“ am 1., 6., 7. und 8. Mai in den Kammerspielen.