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Von – 2. Mai 2016

Eine Religion unter Generalverdacht

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Ilona Surrey

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Ilona Surrey

Vergleiche mit der NS-Zeit sind immer schwierig. Aber wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, warnt, dass erstmals seit den Nazis wieder eine ganze Religionsgemeinschaft bedroht wird, so wird die Ungeheuerlichkeit der Positionen der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ zum Islam deutlich. „Eine unerträgliche Grenzüberschreitung und Provokation“ nannte der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier deren Forderungen. In einer einstimmigen Entschließung betonte der Hessische Landtag, „dass Fremdenhass, die Verklärung des Nationalsozialismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus oder das Absprechen der Menschenwürde nicht akzeptabel sind“.

Formal bekennt sich die AfD im Wahlprogramm zwar zur Glaubensfreiheit, doch solle der Staat dieser Schranken setzen. Minarette und Rufe von Muezzins sollen verboten, muslimische Organisationen formal nicht den Kirchen gleichgestellt werden. Die Privilegien einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sollen islamische Organisationen nicht erhalten. Außerdem will die AfD die Beschneidung von Kindern verbieten, was auch gegen die jüdische Religionspraxis geht. Man braucht aber nicht weiter zu betonen, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiert. Dies gilt ohne Einschränkungen für alle Religionen, eben auch für den Islam.

Religiöse Radikalisierung gibt es in allen Religionen. Wenn man die Akteure der AfD genau anschaut, dann finden sich hier zahlreiche so genannte „bibeltreue Christen“, die zu den religiösen Scharfmachern zählen. Die FAZ schrieb 2014 sogar: „In der Alternative für Deutschland übernehmen bibeltreue Protestanten die Macht. Längst kritisieren sie nicht mehr nur den Euro, sondern auch Schwule und Muslime. Sogar die Schulpflicht stellen sie in Frage.“

Fundamentalisten, ob christlich oder muslimisch, sind tendenziell antidemokratisch. Eine offene, tolerante Gesellschaft braucht aber eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung. Nur so kann man Gemeinsamkeiten feststellen, aber auch Unterschiede aushalten. Wer eine ganze Religionsgemeinschaft, sogar eine Weltreligion, in gehässiger Absicht diskriminiert, stellt sich gegen das Grundgesetz.

Wer Ja zu Kirchtürmen sagt, muss auch Ja sagen zu Minaretten. Unsere leidvolle deutsche Geschichte verpflichtet uns in dieser Hinsicht besonders. Nie wieder dürfen in Deutschland Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 2. Mai 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Werner schrieb am 2. Mai 2016

    Tatsächlich sind „Gedanken“, „Gewissen“ und „Bekenntnis“ einzig unverletzlich, also GG Art 4 Abs 1. Das steht da auch. „Bekenntnis“ ist in der Verfassungsgeschichte das „Credo“ . eben wirklich nur das Bekenntnis, nicht aber die Freizügigkeit eines religiösen Alltagslebens oder die Freizügigkeiten der religiösen Organisation. So wird also das religiöse Leben als Ausübung der Religion nur gewährleistet (GG Art 4 Abs 2 – S. auch zB GG 140 – WRV…).
    Der aktuelle Konflikt ist besonders,
    da unsere Verfassungsgeschichte, und das Grundgesetzt das Ergebnis eines gemeisamen mehr als 400 Jahre Lehrnprozess ist, von Staat, Kirche und Synagoge. Und eben daran hat der Islam nicht teilgenommen. So ist es einem orthodoxen Islam heute noch denkunmöglich, das private, das öffentliche und das Leben als Staatsbürger zu trennen und gegebenenfalls seine Religiösität zurückzunehmen.
    So gesehen sind die Beschlüsse der AFD zwar problematisch, aber bedenkenswert.

  • Wa schrieb am 3. Mai 2016

    Schon klar, Radikale gibt´s überall. Wann hat sich denn Ihres Wissens nach der letzte bibeltreue Christ zusammen mit 15 Unschuldigen in die Luft gesprengt? Haben diese Leute irgendwo einen Gottestaat am Laufen und bringen willkürlich jeden um, der nicht nach ihrer Facon selig werden will?

  • Antje Schrupp schrieb am 3. Mai 2016

    @wa – Naja, wir hatten Anders Breivik in Norwegen, der sich selbst als christlich-fundamentalistischer Kreuzritter sah. Für die USA gibt es eine interessante Statistik, wonach nur 6 % der Terroranschläge dort von fundamentalistischen Muslimen begangen werden – http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2013/05/wer-begeht-die-meisten-terroranschlage.html. Und es gibt gut organisierte christliche Terrorgruppen in den USA: http://de.blastingnews.com/politik/2015/04/terror-im-namen-gottes-die-3-gefahrlichsten-christlichen-terrorgruppen-00336779.html