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Von – 31. Mai 2016

Geschlechtergerechtigkeit in Buddhismus und Christentum

Um Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern in Buddhismus und Christentum ging es in einem Gespräch im Haus am Dom: mit Antje Schrupp, Feministin, Publizistin, Redakteurin des Evangelischen Frankfurts, und Yesche Udo Regel, Lama und buddhistischer Lehrer.

Wie männlich sind die Religionen? Foto: Borobudur 5/Flick.com (cc by-sa)

Wie männlich sind die Religionen? Foto: Borobudur 5/Flick.com (cc by-sa)

Maria von Magdala ist nach dem Neuen Testament die erste Auferstehungszeugin, sagte Schrupp. Eigentlich lasse sich daher sagen, dass sie es gewesen sei, die die christliche Religion begründet habe. Die Evangelien und Paulus-Briefe seien zwar männlich dominiert, berichteten aber  auch immer wieder von Frauen, die wesentliche Fragen gestellt hätten. Sie gehe davon aus, dass in der noch ungeordneten frühen christlichen Bewegung kontrovers über das Verhältnis der Geschlechter diskutiert worden sei, sagte Schrupp. Diese Debatten spiegelten sich in christlichen Texte aus dem ersten und zweiten Jahrhundert wieder, darunter auch ein Evangelium der Maria von Magdala. Leider hätten sich in der späteren Kirchengeschichte diejenigen durchgesetzt, die Frauen aus kirchlichen Ämtern herausdrängen wollten und ihnen eine untergeordnete Rolle zuwiesen.

Im Buddhismus müsse man die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit vor dem Hintergrund des Erleuchtungsweges sehen, sagte Regel. Dabei gehe es darum, sich von allem zu lösen, was die Menschen emotional, geistig und sinnlich bindet und deshalb existenziell leiden lässt. Wie Jesus sei auch Buddha ein Kind seiner Zeit gewesen. Zunächst habe er gesagt, es sei nicht wünschenswert, dass Frauen „in die Hauslosigkeit“ zögen, also buddhistische Nonnen würden. Später habe er aber auch Frauen in seinen Kreis aufgenommen. In der 2500jährigen Geschichte des Buddhismus habe es alles gegeben: von starkem Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen bis zur Verehrung oder gar Vergöttlichung des Weiblichen. In früheren Zeiten habe es fast nur monastische Lehrer gegeben, heute dagegen seien in seinen Kursen 70 bis 80 Prozent Frauen. Häufig sei das Weibliche mit Anhaftung an das Sinnliche, ans Begehren gleichgesetzt worden und deshalb habe man Frauen als  Gefahrenquelle für Meditation angesehen. Es gebe aber auch Strömungen, die die befreienden Prozesse der tiefen Meditation Männern und Frauen gleichermaßen zutrauten. Im Tantrismus seien Frauen Lichtgestalten, erleuchtete, erwachte Wesen. Es habe in der Geschichte aber auch die Vorstellung gegeben, dass weibliche Wesen ihr Geschlecht umwandeln müssten, um zu erwachen, sagte Regel.

Auch im Christentum habe man sich im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus teilweise vorgestellt, dass Frauen sich der vermännlichten Ordnung anpassen müssten, sagte Schrupp. Daneben habe aber auch die Verehrung des Weiblichen als mythisches Rätsel existiert, verkörpert durch Maria. Für sie als Feministin und evangelische Christin sei bis heute die Frage, wie Frauen sich  trotz der „Umzingelung von patriachalen Ideen“ finden könnten. Und zwar ohne den Preis der Vermännlichung zu zahlen oder in idealisierter Weiblichkeit eingesperrt zu sein. Originelle weibliche Ideen, an die Frauen heute anknüpfen könnten, habe es in allen patriachalen Kulturen und durch alle Jahrhunderte hinweg gegeben, zum Beispiel mit Hildegard von Bingen oder Margarete Porete. „Meine Loyalität“, sagte Schrupp, „liegt immer bei der weiblichen Freiheit, nicht bei der Religion.“

Der Buddhismus hätte auch von einer Frau erfunden werden können, ist Regel überzeugt. „Die Ausrichtung auf Loslösung finde ich nicht per se männlich.“ Außerdem sei Geschlecht vergänglich. Nach buddhistischer Lehre könne ein Mann ja auch als Frau wiedergeboren werden.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 31. Mai 2016 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".

Kommentare zu diesem Artikel

  • Friedrich Peter Niebling schrieb am 19. Juli 2016

    Ob als Mann, oder als Frau geboren, jeder Mensch trägt das Grundlebensprinzip sowohl des männlichen als auch des weiblichen, als zu entwickelndes Potential in sich. Das Fehlen des einen oder des anderen, respektive ein Ungleichgewicht zwischen diesen beiden –zur Erhaltung des Lebens notwendigen Prinzipien, hat „uns“ die Welt beschert, in der wir leben. Vereinfacht gesehen! Genau genommen, lassen sich diese Anlagen nicht so einfach außer Kraft setzen. Sie zeigen sich –sofern erkannt- in allerlei lösungsfreie Kreisbewegungen; sozusagen in einer neurotischen Welt.