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Von – 13. Juli 2016

Die Reformation als Krimi: Lesung in der „Wendeltreppe“

In der Krimibuchhandlung Wendeltreppe in Sachsenhausen stellten Lutz Lemhöfer und Kornelia Siedlaczek den Reformationskrimi „Q“ vor, der nun auch im Taschenbuchformat vorliegt.

Lesung in der Krimibuchhandlung Wendeltreppe. Foto: Ilona Surrey

Lesung in der Krimibuchhandlung Wendeltreppe. Foto: Ilona Surrey

Etwa ein Dutzend Menschen lagern friedlich in dem gemütlichen Sammelsurium aus Sesseln und Sofas rund um die Wendeltreppe, die ins Nirgendwo führt. An den Wänden bis unter die Decke Krimis in allen Schattierungen. Heute geht es um 40 Jahre Reformationsgeschichte auf circa 700 Seiten – das lässt zögern.

Lutz Lemhöfer verspricht aber einen packenden Abenteuerroman, vorausgesetzt, man bringt einiges an historischem Interesse mit. Dann landen die Leserinnen mitten in den 1550er Jahren und werden von dort aus immer wieder in die Vorgeschichte, die Geschichte der Reformation zurückgeführt – bis in das Jahr 1517, in dem Luther seine 95 Thesen unter das Volk brachte.

Die Leser also sind mitten drin im Tumult der Zeitgeschehnisse und ohne große Chance, einen Überblick zu erhalten. Da gibt es zwar einen Ich-Erzähler, der ein Schüler Luthers ist und sich Thomas Müntzer anschließt, sowie seinen Gegenspieler „Q“, was auf das Buch Qohelet, das Buch der Prediger, verweist – doch die Helden und Antihelden des epischen Krimis bleiben fast ebenso anonym wie der Autor desselben, der sich Luther Blissett nennt, und von dem nicht mehr bekannt ist, als dass sich dahinter ein vierköpfiges Autor_innenkollektiv verbirgt.

Der Roman, so scheint es, unterwandert das Prinzip der Identifikation auf allen Ebenen: Nicht nur bleiben die Helden namenlos oder haben gar verwirrenderweise wechselnde Namen, auch die Handlung selbst lebt weniger von einzelnen Personen denn von dem undurchschaubaren Wirken historischer Strömungen und Kräfte.

Es sind weniger die theologischen Themen als die gesellschaftlichen Umwälzungen, die das Romangeschehen bestimmen. Kein Lehrstück zum Thema Reformation also, das Luther, Calvin, und Zwingli im Format eines Unterhaltungsromans durchbuchstabiert – und vielleicht gerade deshalb umso lehrreicher, denn es scheinen mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben zu werden.

Nicht zuletzt ist das Genre uneindeutig: Es gibt weder ein klassisches Krimi-Setting noch einen Ermittler – etwas Western und Agententhriller sei durchaus auch dabei, räumt Lutz Lemhöfer ein – und trotzdem ist es ein Krimi, ein Buch, das die Leserin auf eine Fährte setzt und vielleicht auch zur Komplizin macht – möglicherweise von „Q“, so viel konnte Kornelia Siedlaczek bei der Lesung verraten.

„Q“ ist ein Getriebener, der nach Macht strebt, Fäden spinnt und Fäden zieht, so etwas wie der „V-Mann“ aus dem Vatikan, so Lemhöfer, der Geheimnisse ausplaudert und Menschen manipuliert. Die große Frage des Abends ist also nicht, warum sich der Protagonist, der wechselweise Brunnengert, Gustav Metzger oder Don Ludovico heißt, Thomas Müntzer anschließt, die Frage ist: Wie funktioniert dieses Buch?

Luther Blissett: „Q“. Assoziation A, 2016. € 19,80

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Juli 2016 in der Rubrik Bücher & Filme, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.