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Von – 20. September 2016

Die Armut wird sichtbarer – damit müssen wir leben

Der heutige Raubtierkapitalismus führt dazu, dass blanke Armut in Europa immer sichtbarer wird. Damit müssen wir leben, auch in Frankfurt. Obdachlose Menschen einfach zu vertreiben ist jedenfalls keine Lösung.

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Die Situation ist für die Anwohner und Anwohnerinnen unerträglich. Jeden Abend kommen zwei bis drei Dutzend Menschen mit Sack und Pack und lagern auf dem neu gestalteten Platz vor der Diakoniekirche Weißfrauen. Morgens ziehen sie wieder ab und hinterlassen Müll, und die Notdurft musste ja auch irgendwo verrichtet werden. Die Diakonie Frankfurt hat zu einem runden Tisch geladen, sie möchte künftig ihren Tagestreff für Obdachlose auch nachts öffnen. Dort gibt es Waschgelegenheiten, Toiletten und auch Waschmaschinen. Dies könnte den Konflikt entschärfen.

Aber auch an anderen Stellen dieser reichen Stadt poppt europäische Armut auf. Die Wanderarbeiter auf der Gutleutbrache etwa oder die Familien aus Osteuropa, die in Erdhöhlen im Fechenheimer Wald leben. Sie sind Teil einer neuen Armutswanderung: Während das Durchschnittseinkommen in Deutschland 47.600 Euro im Jahr beträgt, sind es in Bulgarien gerade mal 7400 und in Rumänien 9300 Euro. Hinzu kommen Diskriminierungen gegen Roma. Es wundert also nicht, wenn sich einige auf den Weg machen und ihr Dasein hier auf der Straße fristen.

Armut ist aber hier wie dort die Folge eines enthemmten Kapitalismus. Die Idee einer sozialen Marktwirtschaft, die die Teilhabe aller Menschen am wirtschaftlichen Reichtum im Blick hatte, ist heute einem internationalen Raubtierkapitalismus gewichen. Solange sich daran nichts ändert, werden wir in Deutschland mit einer wachsenden Zahl von Menschen leben müssen, die von ihrer Arbeit keine Wohnung bezahlen können, die am Rande der Gesellschaft stehen.

Ihnen eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen und gleichzeitig keine Anreize zur Nachahmung zu bieten, ist die Aufgabe nicht nur der Diakonie, sondern der ganzen Stadtgesellschaft. Auch denen, die auf der Straße leben, Toiletten und Waschräume zur Verfügung zu stellen, zeigt die Richtung an. Aber solange wir an den Grundstrukturen nichts ändern, werden wir mit sichtbarer Armut in dieser so reichen Stadt leben müssen. Eine gerechte Gesellschaft sieht anders aus.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 20. September 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Hubertus Janssen schrieb am 21. September 2016

    Vielen Dank Herr Eimuth für diesen Beitrag. Er spricht eine klare Sprache. Ich habe ihn auf Facebook gepostet.

    Meine Solidarität

    Mit besten Grüßen
    Hubertus Janssen
    Pfr. i.R.