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Von – 12. September 2016

Völlig losgelöst, voller Angst

Ein Weltraumforscher, ein Philosoph und ein Kapitän im Gespräch: Mit einem Themenabend über Grenzen und Grenzenlosigkeit stellte die Evangelische Akademie Frankfurt ihr neues Programm vor.

grenzen

Sie ist irgendwo da draußen, zieht ihre Kreise, unsere Grenzen sind nicht ihre Grenzen: Viele Milliarden Kilometer hat die Raumsonde „Rosetta“ seit ihrem Start zurückgelegt, dabei dreimal die Erde umrundet, einmal den Mars passiert und zwei kleine Asteroiden getroffen. Wissenschaftler erhoffen sich von der Mission nichts weniger als Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems, den Ursprung des Lebens. Wissenschaft, grenzenlos.

Oder gerade nicht. Paolo Ferri ist Flugdirektor bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt, er begleitet die „Rosetta“-Mission seit 18 Jahren und sitzt an diesem Abend auf dem Podium der Evangelischen Akademie auf dem Römerberg. Was bedeuten Grenzen? Wie bestimmen sie unsere Weltsicht? Wie gehen wir mit ihnen um?

„Unsere Zukunft liegt da draußen“

„Weltgrenzen – Grenzwelten“ lautet das Halbjahresthema der Akademie, zum Auftakt sind drei ganz unterschiedliche Männer ins Historische Museum gekommen, wo die Akademie wegen Umbaus derzeit residiert. Paolo Ferri spricht beinahe zärtlich über „seine“ Rosetta, im Plauderton verkündet er Ungeheuerliches. „Unsere Zukunft liegt da draußen“, sagt er. Denn dem Leben auf der Erde setzt nicht nur der Klimawandel Grenzen. „In einigen Milliarden Jahren wird die Sonne erloschen sein. Soviel Zeit haben wir, uns neue Lebensräume zu suchen.“

Die Menschen im Publikum blicken einander in die Gesichter, auch Fremde wispern miteinander. Ja, irgendwann werden wir alle nicht mehr da sein. Unsere Kinder, Enkel, Urenkel, Urururururenkel auch nicht. Völlig losgelöst von den Grenzen der Materie? Schön wär’s.

Grenzen sind den Menschen ein Ärgernis. Und ein Bedürfnis. Wir sprechen von Obergrenzen für Flüchtlinge, Grenzverletzungen, Grenzen der Toleranz, Grenzen der Wissenschaft, Grenzen des guten Geschmacks. Wo ziehen wir Grenzen? Wie weit lassen wir andere an uns heran?

Grenzen werden immer stärker zum Diskussionspunkt

Rainer Forst ist Philosoph und Sprecher des interdisziplinären Exzellenz-Clusters „Normative Orders“ an der Goethe-Universität. Wir leben in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen. Die Gruppe um Rainer Forst aus Geistes- und Sozialwissenschaften macht es sich zur Aufgabe, diese Prozesse zu analysieren. „Wo liegen die Grenzen der menschlichen Identität?“, fragt er in die Runde.

Denn Grenzziehungen werden in einer pluralistischen Gesellschaft immer stärker zum Diskussionspunkt. Wie reagieren andere auf mich? Wie reagiere ich auf andere? Grenzen der Annäherung aneinander kreisten um diese zwei Fragen, erläutert der Philosoph. „Häufig heißt es, es gebe eine natürliche Grenze der Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft. Doch die gibt es nicht. Genauso wenig wie eine Grenze der Barmherzigkeit.“

Nicht um Grenzen des Denkens geht es dem dritten Redner, dem Kapitän Klaus Vogel. Ihn entsetzten die ganz praktischen Grenzen, die Flüchtlingshelfern im Mittelmeerraum begegneten. Wie können Geflüchtete in Schlauchbooten vor Lampedusa gerettet werden, wenn das Equipment fehlt? Also gründete Vogel die Hilfsorganisation SOS Mediterranee. Mit dem Frachtschiff „Aquarius“ und vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern kreuzt er zwischen Libyen und Italien, vielen Hundert Männern, Frauen und Kindern hat SOS Mediterranee schon vor dem Ertrinken bewahrt. Nein, es gibt keine Grenzen der Barmherzigkeit. Wer das glaube, wer von Flüchtlingsströmen und Obergrenzen sprechen zu müssen, „der soll einfach mal bei uns mitfahren.“

Das vollständige Programm kann bestellt werden bei weintz@evangelische-akademie.de und steht im Interenet unter www.evangelische-akademie.de.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 12. September 2016 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.