Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 11. Mai 2017

Tischreden, Bier und Erbsenbrei: Abendessen mit Luther am Riedberg

Zu einem Abendessen mit Martin Luther – verkörpert von HR-Nachrichtensprecher Frank Wornath – hat die Gemeinde am Riedberg eingeladen. Es gab Tischreden, Bier und Erbsenbrei. Unsere Autorin war dabei und hat sich gefragt: Was ist heute an der Reformation noch so spannend?

HR-Nachrichtensprecher Frank Wornath schlüpfte im Gemeindehaus am Riedberg in die Rolle Martin Luthers. Foto: Rolf Oeser

In dem jungen, modernen Gemeindehaus am Riedberg kann ich mir eine Zeitreise ins Mittelalter zunächst nur schwer vorstellen. Aber viele Helferinnen und Helfer haben eine mächtige Tafel geschaffen, schön gedeckt und einladend zum Verweilen. Und der antike Kerzenleuchter schafft es durchaus ein wenig, an die damalige Zeit zu erinnern.

Der Tonkrug für schmackhaftes, selbst gebrautes Bier ist bedauerlicherweise exklusiv dem Herrn des Hauses vorbehalten: Martin Luther, der heute Abend von HR-Nachrichtensprecher Frank Wornath in historischer Montur verkörpert wird. Schade. So ein Krug Bier hätte meinem persönlichen Kloster-Flair den letzten Kick gegeben.

Was aber stark an die (vermutlichen) Gepflogenheiten im Hause Martin Luther und Katharina von Boras erinnert, das ist die offene und herzliche Begrüßung der Veranstalterinnen. Auch ohne Anmeldung bin ich ohne Wenn und Aber willkommen und darf mir einen Platz aussuchen. Ich entscheide mich für Mittendrin mit gutem Blick zum Kopf der Tafel und damit die Hauptpersonen.

Geist des Umbruchs, der Revolution, des Widerstands

Der Saal füllt sich. Viele kommen aus dem Stadtteil. Direkt neben mir sitzt ein Ehepaar aus dem Taunus. Vor ein paar Wochen waren die beiden zu Gast bei einer Veranstaltung ähnlichen Formats. Da hatte Katharina von Bora geladen und von ihrem Leben als Hausherrin erzählt. Die Dame ist begeistert.

Warum sie sich für diese Zeit interessiere, was die Reformation für sie heute noch bedeute, frage ich. Der Geist des Umbruchs, der Revolution, des Widerstandes, antwortet sie. Vor allem „Käthe“ habe es ihr angetan. Auch wenn das weibliche Geschlecht einen wirklich schlechten Stand zu dieser und ja, auch oft zu heutiger Zeit gehabt habe und ja noch hat. Katharina sei so eine starke Frau gewesen und habe ihren Mann maßgeblich  beeinflusst und an den wichtigen Stellen Weichen gesetzt. Ob Luther das genauso sieht?

Für Luthers Frauenwitze gäbe es heute einen Shitstorm

Es wird aufgetischt: Schmalzbrot, auch vegan, Kräuterbutter und Brot. Dann widmet sich der Tischredner Luther ebenfalls dem weiblichen Geschlecht. „Alles Übel erwächst daraus, dass ein Weib nicht kochen kann“, schmettert er in die Runde. Ok, denke ich bei mir. Würde heute jemand so etwas vom Stapel lassen, drohte ein Shitstorm, und zwar ein gewaltiger. Und damals? Die Tischgäste erlauben sich ein abwertendes, aber doch berührtes Gelächter. „Was der sich traut!“

Weiter geht es im Comedian-Jargon. Es sei schon schwer für Männer, die Launen der Frauen zu ertragen. Wenn man wissen möchte, wie die Frau gerät, müsse man sich deren Mutter ansehen. Und so weiter. Ein Kompliment schiebt Martin dann auch noch hinterher: „Die Welt kann ohne Frauen nicht bestehen.“ Ich habe meine eigene Interpretation für diesen Spruch und lächle in mich hinein.

Heiter geht es weiter, und kulinarisch sind wir dann ganz in Luthers Zeit angekommen: Es gibt Erbsenbrei, Sauerkraut, warmen Apfel mit Butterstreuseln. Lecker. Das Flötenensemble ist wirklich toll und verleiht dem Neubau, unterstützt durch die zunehmende Dunkelheit und den romantischen Schein des Kerzenlichts, mehr und mehr ein rustikales Ambiente. Luther referiert weiter, jetzt über den „Mammon“ und wie dieser den Charakter des Menschen verdirbt.

Nach der Party geht es weiter

Zu meiner Linken frage ich eine Frau mittleren Alters, sie ist Mitglied in der Kirchengemeinde und im Flötenensemble, was es für sie bedeute, an Gott zu glauben und welche Rolle Martin Luther dabei heute noch spielt. Sie glaube nicht an einen personifizierten Gott, antwortet sie. Was den Glauben für sie ausmacht, das sei die gelebte Gemeinschaft, der Austausch mit Gleichgesinnten. Eine Basis des Miteinanders. Ohne Martin Luther würde es ihre Religion, das evangelische Christentum, heute überhaupt nicht geben, fährt sie fort. Das Evangelische überzeuge sie deswegen, weil es flache Hierarchien habe, die Rolle der Frau anerkannt und gleichberechtigt sei, Diversität vorgelebt werde und Solidarität und Gleichheit wichtige Werte seien.

Werte und Normen, denke ich mir, darum ging es auch bei der Reformation. Herzlichen Glückwunsch zum 500. also. Und nach der Party geht es weiter. Es gibt noch viel zu tun.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 11. Mai 2017 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Angela Wolf studierte Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse in Frankfurt am Main, arbeitet als freie Autorin und ist ehrenamtlich aktiv.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Elke Gutberlet schrieb am 12. Mai 2017

    Danke, für den interessanten Artikel. Wir haben hier in Frankfurt-Rödelheim eine Ausstellung über Frauen der Reformation, in der natürlich Katharina von Bora auch vorkommt und all die Attribute, die bei dem Mahl vorkamen, auch in der Ausstellung zu finden sind. Am Dienstag, dem 16. Mai gibt es um 19 Uhr auch eine Begleitveranstaltung zu den Frauen.