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Aktuell

Von – 2. August 2017

Es gibt viele Gründe, zu arbeiten. Nicht alle sind gleich gut.

Wilfried Steller hat beobachtet, wie die Nachbarn das Ferienhaus nebenan in Ordnung bringen. Und dabei über die Frage nachgedacht, warum wir arbeiten – und was das mit dem Bild zu tun hat, das wir uns von Gott machen. 

Das Ferienhaus nebenan liegt gut 200 Meter entfernt. Am Wochenende sind die Besitzer angereist, um dies und das in Ordnung zu bringen. Von der Frau ist nicht viel zu sehen, aber der Vater und die beiden Söhne – sie mögen 15 oder 16 sein – mähen das Gras und schaffen Totholz vom Grundstück. Ob ihnen das Spaß macht? Mich erinnert es an meine eigenen Arbeitseinsätze in der Nebenerwerbslandwirtschaft meiner Eltern, und ich frage mich, was die Jungs wohl motiviert.

Toll ist es ja, wenn Arbeit Spaß macht und ihren Lohn in sich selbst trägt. Freude am Helfen, daran, Dinge in eine gute Ordnung zu bringen, macht Engagement zur persönlichen inneren Bereicherung. Es weckt Kreativität und generiert Sinn. Dann ist es befriedigend, zu arbeiten.

Wenn die Arbeit jedoch keine Freude (mehr) macht, ist alle Motivation futsch und der Frust groß. Für viele stellt dann die Belohnung einen notwendigen Anreiz von außen dar – in Form von Geld oder auch eines ehrlichen Dankes oder der Anerkennung. Religiöse Menschen lockt vielleicht sogar die Aussicht auf das Paradies oder andere Vergünstigungen.

Plötzlich ist mein Wert abhängig von anderen

In dieser Logik stellt sich bald die Frage nach der Gerechtigkeit: Was verdiene ich für meinen Einsatz? Der Wert meines Handelns ist also plötzlich abhängig davon, dass andere ihn wertschätzen oder etwas dafür bezahlen. Und weil ich nur Leistungen erbringe, die auch honoriert werden, verliere ich mich selbst.

Das wäre aber immer noch besser, als wenn die Jungs im Ferienhaus nebenan nur mit anpacken, weil sie einen subtilen Druck spüren und sich moralisch verpflichtet fühlen, den Vater nicht im Stich zu lassen. Vielleicht hat es beim Frühstück sogar eine klare Ansage gegeben über die anstehenden Arbeiten, und sie müssen mit Nachteilen oder einer Strafe rechnen, wenn sie die Erwartungen enttäuschen. Das wäre dann Arbeit in einem System von Druck und Zwang. Sie könnten sich nie ganz sicher sein, genug getan zu haben.

Eine ähnliche Vorstellung machen sich manche Menschen von Gott. Martin Luther zum Beispiel erlebte Gott anfangs als Richter und Exekutor. Göttliche Gebote gibt es, so gesehen, weil die Menschen ungenügend sind. Und wenn sie sie übertreten, müssen sie mit göttlicher Strafe rechnen. Dabei sollte es doch eigentlich Freude machen, Gebote einzuhalten, weil es dabei hilft, das Leben sinnvoll zu gestalten!

Vielleicht liegt die Motivation ja in den Beziehungen

Vielleicht ist es nebenan ja so: Die Söhne arbeiten im Ferienhaus mit, weil sie es selbstverständlich finden, sich für ihre Familie einzusetzen. Vielleicht macht die Arbeit selbst ihnen zwar gar keinen Spaß, aber es gefällt ihnen, dass sie zum Gelingen eines gemeinsamen Projekts beitragen. Ihre Motivation liegt dann nicht in der Arbeit selbst oder in Lohn oder Strafe, sondern in der Beziehung zu den anderen Familienmitgliedern, die sich gegenseitig unterstützen und fördern.

Weil Martin Luther mit dem Bild von Gott als Antreiber und Richter unzufrieden war, hat er vorgeschlagen, sich die Beziehung zwischen Gott und den Menschen anders vorzustellen: Gott schaut nicht auf das, was ich tue oder nicht tue, urteilt nicht darüber, wie viel ich arbeite, was ich leiste, wie nützlich ich bin. Sondern es geht Gott um mich selber, darum, dass wir, Gott und ich, zusammengehören.

Genau deshalb ist in dieser „Familie Gottes“ die Nächstenliebe das Wichtigste: Die anderen haben ihre Unarten und sind mitunter unausstehlich, aber wir gehören zusammen. Und deshalb setzen wir uns füreinander und für die Welt ein. Sich das immer wieder klarzumachen, ist lebendige Reformation.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 2. August 2017 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Friedrich Peter Niebling schrieb am 3. August 2017

    Ich tue es mir nicht an, mir ein Bild davon zu machen, welches Bild sich andere von Gott machen. Und ich weiß, warum wir naturgemäß, also Gottgegeben, arbeiten. Genau genommen, warum wir leben. Denn, das Bild von der Arbeit, welches sich „uns“ heutzutage Weltweit darstellt, ist ein Abbild menschlicher Verirrungen aus Unwissenheit und Angst und der Machtverhältnisse freilich. Wobei kaum feststellbar ist, welche Rolle in welcher Richtung das Bild einnimmt, welches sich Menschen von Gott machen. Klar ist für mich, dass „wir“ Leben, respektive Arbeiten -was durchaus auch als Spiel zutage kommen kann- um uns hervorzubringen mit all dem, was in uns einzigartig angelegt ist. Dazu gehört, soll dieses göttliche Unternehmen nicht in die Hosen gehen, dass wir uns – nicht nur mit Kartoffeln etc. etc., sondern auch geistig/seelisch- nähren, also an unserer Fähigkeit zu kommunizieren arbeiten. Das heißt, dass wir lernen uns in rechter weise darzustellen, womit wir uns dementsprechend Abgrenzen können. Die Selbstdarstellung umfasst neben Gestik und Hervorbringen von Wissen, auch unsere Körperform an sich. Und so ist –wenn die Selbstdarstellung nicht zu genügen scheint, die eine oder der andere leicht dazu verführt, sich einen Nerz umzuhängen, oder seine Haut/Grenze mit einer Tätowierung (Tatuvirung) zu verletzen; weitaus tragischer ist die Abgrenzung durch überbotmäßiger Körperfülle. Das ist kein Vorwurf oder eine Verurteilung gar!!!! Des Weiteren dient die Arbeit auch dem Ankommen bei uns, wozu das Ankommen beim Anderen gehört; die Zubereitung eines Nestes; der Selbstausdruck, der eng mit einer positiven oder negativen Selbstwahrnehmung, sozusagen mit einer geistigen Erweiterung verbunden ist; das austarieren zwischen Ich und Du, zwischen Wir und Sie, wozu die Gestaltung des Alltages gehört, inklusive Anpassung und Vernunft und die Entwicklung von Achtsamkeit; das einverleiben bzw. das Umsetzen von Idealen, welche den in uns angelegten Potenzen entsprechen; das Schaffen von Strukturen, in denen das Befinden einen Platz hat. Scheinbar ganz von selbst, geschehen entsprechend unserer Erkenntnisse, besser gesagt, unserer Fähigkeit Erkenntnisse umzusetzen, meist unvorhersehbare Ereignisse wie beispielsweise Revolutionen oder als Abwehr gegen diese, Machtverfestigungen. Solche Ereignisse, entsprechen den Grundlebensprinzipien der Erhaltung bzw. des Ausgleiches zwischen Ego und Gemeinschaft, zwischen König und Volk, Zwischen Machthabern und der Menschheit inklusive der Natur. Nicht zuletzt löst sich sichtbar und unsichtbar auf, was das menschliche Wesen Unwesentliches erschafft. Eine fruchtbare Arbeit hängt demnach weniger vom Bild ab, welches Menschen sich von Gott machen, sondern vielmehr von der Erkenntnis, wie Gott die Welt geschaffen hat.