Die Idee hinter dem Vorschlag, sich in der Präambel der Verfassung auf Gott zu beziehen, ist im Wesentlichen Gefahrenabwehr: Er weist auf eine Berufungsinstanz für den Fall, dass der Staat ins Totalitäre abdriftet.
Die Hessische Verfassung soll reformiert werden. Denn es gibt darin noch immer Bestimmungen, die im Widerspruch zum Grundgesetz stehen, zum Beispiel die Möglichkeit der Todesstrafe. Voraussichtlich Ende 2018, bei der nächsten Landtagswahl, soll die dafür notwendige Volksabstimmung stattfinden. Nun haben die Kirchen mit Unterstützung der CDU vorgeschlagen, dabei auch einen Gottesbezug einzuführen, ähnlich wie in der Präambel des Grundgesetzes. Die anderen Parteien sind allerdings dagegen oder unentschieden.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten bei ihrer Formulierung („im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen”) die Erfahrung des Nationalsozialismus im Blick: Einen Staat, der sich selbst absolut setzt und geradezu vergottet, dürfe es nicht noch einmal geben! Auch der Staat müsse vielmehr Demut und Respekt zeigen vor den Errungenschaften im Erbe Europas: Menschenwürde, Freiheit, Toleranz.
Der Gottesbezug soll also im Wesentlichen der Gefahrenabwehr dienen: Er weist auf eine Berufungsinstanz für den Fall, dass der Staat ins Totalitäre abrutscht. Zugleich definiert er die Quelle, aus der die Verfassung schöpft. Politikerinnen und Politiker, so wird damit gesagt, handeln nicht nur in Verantwortung vor sich selbst, ihrer Partei oder der Mehrheitsmeinung, sondern auch in Verantwortung vor etwas Höherem. Sie gewinnen ihre Ziele, Werte und Ideale von einer höheren Instanz.
Hier beginnt natürlich auch die große Schwierigkeit, wegen der viele Menschen einem Gottesbezug in der Verfassung skeptisch gegenüber stehen: Was meint das Wort „Gott”? In einer multireligiösen wie auch durch atheistische und wissenschaftliche Weltbilder geprägten Gesellschaft kann „Gott” nur eine Chiffre sein für ein höheres Prinzip, eine höhere Wahrheit oder Weisheit, die jede und jeder mit dem eigenen religiösen und weltanschaulichen Empfinden füllen kann und soll. Deshalb schlagen die Kirchen auch vor, in Hessen eine etwas andere Formulierung zu wählen als im Grundgesetz, nämlich: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie in Achtung der Freiheit des Gewissens“.