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Von – 13. September 2017

Kostenlose Kitabetreuung: Wahlkampfgeschenk statt echte Lösung

Was soll man schon gegen kostenlose Kinderbetreuung sagen? Eltern und solche, die es werden, sollten sich freuen über das Signal vom Staat: Wir übernehmen die Betreuung eurer Kinder, ihr könnt arbeiten gehen. Aber wie gut ist die versprochene Beitragsfreiheit in Hessen wirklich?

Manon Priebe ist Redakteurin bei „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rui Camilo

Die Betreuung wird ab August 2018 in Hessen erst ab dem Alter von 3 Jahren kostenlos sein. Und das nur sechs Stunden am Tag. Dabei wollen 43 Prozent der Eltern ihre Kinder auch unter 3 Jahren betreuen lassen. Und die durchschnittliche Betreuungszeit bei den Über-Dreijährigen liegt bei siebeneinhalb Stunden. Wer sein Kind mehr als sechs Stunden betreuen lassen muss, zahlt das aus eigener Tasche. Dieses System ist aufwändig und noch dazu bürokratisch.

Vollzeit Arbeiten, bevor das Kind drei Jahre wird? Fehlanzeige! Am Ende ist es viel zu oft die Frau, die Teilzeit arbeitet, während sich beim Job des Mannes trotz Kind nichts ändert. Die konservative Lebensführung wird belohnt. Wie rückschrittlich! Eine ideale Kinderbetreuung wäre es, wenn sie auch bei den ganz Kleinen und den ganzen Arbeitstag über gebührenfrei wäre.

Aber vor allem muss sie gut sein. In Hessen muss sich eine Erzieherin um 9,6 Kinder kümmern – „nicht kindgerecht“ urteilt die Stiftung Bertelsmann und empfiehlt eine Quote von maximal 7,5 Kindern. Dafür würde Hessen 7388 Fachkräfte mehr benötigen, Kosten: 329 Millionen Euro im Jahr. Aber die Landesregierung will nur knapp 50 Millionen Euro in die Qualitätsverbesserung der Kitas investieren.

Das Wahlkampfgeschenk „Gebührenfreiheit“ hingegen lässt sie sich 440 Millionen Euro kosten. Noch vor einigen Monaten hatten CDU und Grüne den SPD-Vorstoß für ein kostenloses zweites Kindergartenjahr abgelehnt. Dann ist – kurz vor der Bundestagswahl – plötzlich doch genug Geld da. Die CDU versteht es schon vortrefflich, der SPD die Themen zu klauen – so war es auch bei „Ehe für alle“, Atomausstieg oder Mietpreisbremse.

Ministerpräsident Bouffier hat vorgerechnet, dass Familien durch die Neuregelung in drei Jahren 5.000 Euro pro Kind sparten, praktischerweise werden sie das erstmals vor den Landtagswahlen nächsten Herbst spüren. Allerdings: Die Armen entlastet die Neuerung nicht, zumindest nicht in Frankfurt. Denn hier übernehmen ohnehin das Jugend- und Sozialamt die Kosten für die Kinderbetreuung armer Familien.

Auch in vielen anderen Kommunen richten sich die Elternbeiträge für nach dem Haushaltseinkommen. Das jetzige Wahlgeschenk ist also in erster Linie eines für mittel und gut Verdienende.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 13. September 2017 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

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Manon Priebe ist freie Journalistin in Frankfurt und Würzburg und Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Sie twittert unter @manonpriebe