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Von – 9. November 2017

Aktion Sühnezeichen wird 60: Wie aktuell ist Versöhnungsarbeit?

Jugendliche bringen in Freiwilligendiensten Versöhnung in die Welt: Bei einer Diskussion zum Jubiläum ging es auch um die Frage, ob das Modell der Aktion Sühnezeichen gegen den neuen Nationalismus helfen kann.

Lena König hat ein Jahr in Frankreich gelebt, in einer betreuten Wohngemeinschaft mit geistig behinderten Erwachsenen. Sie sagt, dass sie diese Zeit nie vergessen wird. „Das hat meine Biografie nachhaltig geprägt.“ Heute studiert sie Politikwissenschaft. Es war die „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“, wo sie sich damals für den Freiwilligendienst beworben hat. 2018 feiert die Initiative ihr 60-jähriges Jubiläum.

„Aktion Sühnezeichen“ wurde 1958 am Rand einer Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands gegründet. Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus sollten Menschen in Ländern, die durch Deutschland besonders großes Leid erlebt haben, ein Zeichen der Versöhnung erfahren. Das ist die Idee, bis heute. Aktion Sühnezeichen entsendet Freiwillige nach Israel, Polen, Russland, Frankreich, in die USA, nach Tschechien und in andere Länder der Welt. Wobei klar ist: Wer Leid verursacht hat, kann Versöhnung jedoch nur erbitten.

Zum 60. Jubiläum gibt es in der Evangelischen Akademie am Römerberg um die Frage, ob das Konzept heute weiter aktuell ist. Sind die Jugendbegegnungen immer noch ein Modell, das nachhaltigen Frieden zwischen den Völkern bewirken kann? Welche Chancen, welche Grenzen liegen darin? Wie wird Frieden möglich in einer Zeit der wiedererstarkenden aggressiven Nationalismen?

Lena König glaubt an die Chance zur Versöhnung: „Ich habe in Frankreich mit Menschen gearbeitet, die unter Hitler nicht gewollt waren. Einmal haben wir zusammen den Film ‚Schindlers Liste‘ gesehen. Sie wussten genau, dass sie damals auch in den Zügen gewesen wären.“

Stephan Reimers, seit 2015 Vorsitzender der Aktion Sühnezeichen, stellt klar: „Es ging immer darum, dem Hass eine Kraft entgegenzusetzen und geistige Trümmer zu beseitigen.“ 150 Freiwillige entsendet die Organisation im Jahr, dazu gibt es bis zu 30 Sommerlager. „Das Miteinander in der Nähe schafft Empathie und lässt Freundschaften wachsen“, glaubt Reimers.

Ein besonderes Augenmerk lag bei der Aktion Sühnezeichen stets auf den Begegnungen in Israel. Jugendliche arbeiten dort in Gedenkstätten und Altenheimen, in Frauenhäusern und Kinderdörfern und treffen Opfer der Shoa und ihre Nachkommen.

Ist das noch zeitgemäß? Meron Mendel, Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Israeli und in einem Kibbuz mit sozialistischer Ausrichtung großgeworden, antwortet diplomatisch: „Ich bewundere die Selbstreflektion, die die Aktion Sühnezeichen immer wieder an den Tag legt.“ Aber er fragt auch: „Ist Versöhnung noch ein relevantes Thema heute für junge Leute in Deutschland und Israel?“

Allein in Berlin lebten derzeit 20.000 bis 40.000 junge Israelis, „weil sie die Stadt cool finden und Spaß haben wollen.“ Ihre Begegnung mit Deutschen hätten andere Schwerpunkte als Versöhnungsarbeit.

Das Erstarken der neuen Rechten in Deutschland sieht Meron Mendel mit großer Besorgnis. Auf der Frankfurter Buchmesse sei der Stand der Bildungsstätte Anne Frank „von rechten Verlagen umzingelt“ worden. Das Motto der Bildungsstätte „Mut, Mund auf, Vielfalt“ sei von den Rechten fröhlich bejahrt worden. „Die sagten: Oh schön, dafür sind wir ja auch.“

Diesen harten Kern könne man nicht einfach durch Begegnungsarbeit erreichen. Allerdings: „Die große Mehrheit der Rassismen und Antisemitismen findet unbewusst und subtil statt. Da hilft pädagogische Arbeit sehr.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 9. November 2017 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.

Kommentare zu diesem Artikel

  • G. Mueller-Debus schrieb am 9. November 2017

    Die „Aktion Suehnezeichen“ hat in den knapp 60 Jahren mit Sicherheit viel Gutes bewirkt. Die Frage ist aber, ob sie heute noch so heissen, oder besser einen anderen Namen erhalten sollte.

    Das Wort „Suehne“ war in den spaeten 50er bis in die 70er Jahre gewiss angebracht, wiewohl es ja stets junge Menschen waren, die an solchen Einsaetzen teilnahmen – Menschen also, die gar nicht am NS-Terror beteiligt waren, aber gewissermassen Suehne bzw. Versoehnung fuer Untaten von Mitgliedern der Generation der Vaeter und Grossvaeter leisten wollten.
    Meron Mendel hat m. E. Recht mit seiner Anmerkung, dass Versoehnung heute vielleicht kein relevantes Thema mehr sein kann im Verhaeltnis junger Israelis zu jungen Deutschen.