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Von – 1. Oktober 2010

Europa ist Sonderfall

„Modern“ und „religiös“ kein Widerspruch

Es scheint so einfach: Modern ist, wer die Kirche und den Glauben hinter sich lässt. Ganze Generationen von Europäern wachsen heute ohne Bindung zur christlich-religiösen Tradition auf. Doch ist Religionslosigkeit wirklich der Preis, der für eine moderne säkulare Gesellschaft bezahlt werden muss? Das bezweifelte der in Washington lehrende Religionssoziologe José Casanova bei einem Vortrag in der Stadtbücherei.

Abnehmende Religiosität sei nicht automatisch die Folge gesellschaftlicher Modernisierung, sondern ein speziell europäisches Phänomen, so Casanovas These: „Man muss die Vorstellung hinterfragen, dass der europäische Staat de facto ein religiös neutraler Staat sei und allein deshalb die richtige Lösung für den Umgang mit religiösem Pluralismus in sich enthalte.“

Nicht überall sei der Modernisierungsprozess mit dem Rückgang von religiösen Überzeugungen und Praktiken verbunden. In den USA etwa gebe es eine religiöse Vitalität der Konfessionen, ob nun Protestanten, Katholiken, Juden und Moslems, Hindus und Buddhisten. Modern zu sein und religiös zu sein, sei in Amerika kein Widerspruch. In Europa sei das aus historischen Gründen anders: Hier sei die freie Religionsausübung erst in der modernen säkularen Gesellschaft möglich geworden, als man sich vom konfessionellen Staat und der Staatskirche getrennt habe.

Diese speziellen europäischen Erfahrungen könnten aber nicht Erklärungsmuster für die ganze Welt sein, so Casanova. Man müsse sich von den Gegensatzpaaren „religiös oder säkular“, „traditionell oder modern“ lösen: „Es ist an der Zeit, uns die Möglichkeit der Transzendenz im säkularen Raum zuzugestehen.“ Die Weltreligionen seien heute unerwartet vital, das erfordere neue Antworten. Mit den alten europazentrierten Regeln und Erklärungsmustern komme man da nicht weiter.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Oktober 2010 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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