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Aktuell

Von – 1. Februar 2000

Scheiden tut weh

Beziehungen und Partnerschaften von Frauen und Männern halten nicht mehr selbstverständlich ein Leben lang. Dies ist unsere Alltagserfahrung, ob im Bekanntenkreis miterlebt oder selbst erlitten.

Was brauchen wir Menschen in Partnerschaft, Ehe und Familie und was bei Trennung? So fragten wir uns heute in einem Gesprächsgottesdienst in der Alten Nikolaikirche am Römerberg – und die Intensität des Gesprächs klingt noch in mir nach.

Die Pfarrerin der Paulsgemeinde, Christa Sengespeick-Roos, und ich hatten zu diesem Gottesdienst eingeladen, um die alltäglichen Fragen des Zusammenlebens – unsere Wünsche und unser Scheitern – auch in diesem Rahmen und mit biblischem Bezug zu stellen. Denn christlicher Glaube bezieht sich auf die ganze Wirklichkeit der Welt und wendet sich an den ganzen Menschen und seine Lebenswirklichkeit.

Familien und Zusammenleben existieren heute in vielfältigen Formen. Viele Menschen haben Trennungen durchlebt und durchlitten. Da gibt es die Ein-Eltern-Familien, die Patchworkfamilien, die Stieffamilien, die Kleinfamilien, die Adoptivfamilien, die Wochenendeltern…

In all diesen Formen werden die gesellschaftlichen Familienaufgaben – Solidarität der Generationen und Geschlechter, soziale Sicherheit und zwischenmenschliches Verständnis – gelebt und verwirklicht, wenn auch mit unterschiedlichen, alltäglichen Hürden und Belastungen. So überlegt eine allein erziehende Mutter, wie sie dem Wunsch ihres Sohnes gerecht werden kann, zur Konfirmation den Vater und dessen Eltern dazu zu laden. Sie selbst hat soeben einen zähen Prozess wegen der Unterhaltungszahlungen geführt, ihn zwar gewonnen, aber doch Angst vor der Begegnung mit dem Ex-Mann bei einem eigentlich fröhlich gedachten Familienfest.

In der Arbeit der Evangelischen Familienbildung begegnet uns täglich diese Vielfalt von Lebenswirklichkeiten und das intensive Bemühen, in Verantwortung die jeweilige Lebenssituation zu gestalten.

Formen und Wege dafür sind nicht mehr selbstverständlich vorgegeben. Der gesellschaftliche Wandel, der mit Pluralisierung und Individualisierung beschrieben werden kann, vervielfacht vielmehr die Wahlmöglichkeiten. Deshalb ist der Bedarf groß, sich auszutauschen und sich zu orientieren, das eigene Reflexionsvermögen und die eigene Entscheidungskompetenz zu stärken, aber auch Unterstützung zu finden und Entlastung zu erfahren.

Denn Wahlfreiheit suggeriert auch einen Machbarkeitswahn, der zu dem Gefühl beiträgt, alles sei möglich. So erleben wir Konflikte und Probleme als individuelles Versagen, ausgelöst von eigenen Fehlentscheidungen, das den Blick für ungelöste gesellschaftliche Probleme versperrt.

Trotz aller Erfahrungen mit Trennungen und Scheidungen ist die Sehnsucht nach gelingenden Partnerschaften bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ungebrochen groß. Um so mehr gilt es zu lernen, Partnerschaft zu leben und zu gestalten. Gerade junge Familien brauchen hier ein Netz der Unterstützung, damit sie ihre Partnerschaft nicht in der Elternschaft und Familienverantwortung verlieren. Dazu gehört Entlastung bei der Kinderbetreuung, sei sie öffentlich organisiert und gefördert, am Arbeitsplatz angesiedelt oder in Nachbarschaftshilfe angeboten. Ebenso wichtig ist die familienfreundliche Gestaltung unserer Stadt, der öffentlichen Orte und unserer Arbeitswelt – für Frauen und Männer. Denn Kinder brauchen Anerkennung und Geborgenheit nicht nur in der Familie, sondern auch in unserer Gesellschaft.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Februar 2000 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Mechthild Nauck ist Diplom-Politologin und Leiterin der Evangelischen Familienbildung in Frankfurt.