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Von – 1. April 2002

Da kommt Freude auf

Jeder Mensch hat seine Eigenarten, besonders beim Essen. Wer kennt das nicht? Leute, die immer einen unverwechselbaren Brei von Gemüse, Kartoffeln und Soße anrühren, bevor sie die erste Gabel zum Mund führen. Die beim Frühstück das Ei derart ungeschickt skalpieren, dass das flüssige Eigelb im Nu den Weg aufs Tischtuch findet. Die sich nach dem Aufschneiden des Brötchens erst einmal über das weiche Innenleben hermachen.

Ralf Bräuer ist Mitglied in der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“ und Leiter der Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit. Foto: Oeser

Solche Marotten als Ratespiel beim Osterfrühstück: Wenn der Sohn die Kaffeetasse ergreift, Mittel-, Ring- und kleinen Finger abspreizt, ruft die Familie sofort im Chor: Onkel Ludwig! Wenn der Vater den Schokoladenpudding sorgsam im Gesicht verteilt, prusten alle los und gucken auf die kleine Hanna. So kommt beim Essen Freude auf.

Ein ähnliches Ratespiel wird in einer der biblischen Ostergeschichten überliefert und führte zu noch größerer Freude. Nach dem Tod von Jesus marschieren zwei seiner Jünger tieftraurig von Jerusalem nach Emmaus. Sie reden aufgeregt über das, was geschehen ist: Ihre ganze Hoffnung hatten sie auf Jesus gesetzt. Er hatte versprochen: Die Hungrigen sollten satt werden, die Traurigen getröstet, die Unterdrückten befreit. Endlich sollte es gerecht auf dieser Welt zugehen. Und so geschah es, als sie mit ihm durch das Land zogen: Blinde konnten wieder sehen, Lahme gehen, Menschen, die verzweifelt waren, gab er neuen Mut. Für die damaligen Machthaber, die das Volk mit Gewalt und Unterdrückung regierten, war er deshalb eine Bedrohung. Sie machten kurzen Prozess mit ihm. Er wurde verhaftet und das Urteil lautete Todesstrafe. Und die beiden Jünger sind sich schnell einig: Mit dem Tod von Jesus ist alles vorbei. Sie sind traurig und haben ihre Hoffnung auf eine bessere und gerechte Welt längst begraben.

Plötzlich steht jemand am Wegesrand. Es ist Jesus, aber die beiden erkennen ihn nicht. Er geht und diskutiert mit ihnen, erklärt, warum das alles so kommen musste. Doch gegen die Traurigkeit der beiden Jünger können seine Worte nichts ausrichten. Als es Abend wird, machen die drei Station. Die beiden Jünger laden den Fremden zum Abendessen ein. Und da passiert es: Jesus nimmt das Brot, spricht ein Dankgebet und gibt es ihnen. Und wie bei dem Ratespiel ist den beiden plötzlich klar: Das ist er. So wie er das Brot bricht, das muss er sein. Obwohl Jesus just in jenem Augenblick wieder verschwunden war, kannte ihre Freude keine Grenzen.

Auch bei diesem Essen kommt Freude auf, und die ist ungleich größer als in einem Ratespiel. Die Jünger freuen sich nicht nur darüber, dass sie Jesus erkannt haben, wie er das Brot brach. Grund ihrer Freude ist vielmehr die Gewissheit, dass die Sache Jesu trotz seines Todes weitergeht. Und diese christliche Osterfreude hat bis heute vielen Menschen Kraft gegeben, nicht an dieser Welt zu verzweifeln. Sich der Trauer um den Tod eines geliebten Menschen hingeben zu können in der Gewissheit, dass es nach der Zeit der Trauer auch wieder eine Zeit der Freude am Leben gibt. Sich für benachteiligte Menschen einzusetzen im Vertrauen darauf, dass Unrecht und Unterdrückung nicht unabänderlich sind. Konflikte auszutragen statt sie zu ertragen in der Gewissheit, Lösungen zu finden, die beiden Parteien gerecht werden.

Und diese Hoffnung und Zuversicht muss man sich manchmal im wahrsten Sinn des Wortes beim gemeinsamen Essen einverleiben. Wie der Jugendliche, der mit seinem Freund zu McDonald’s geht, um dort in Ruhe und beim Hamburger über seinen Liebeskummer zu reden. Der Freund hat Zeit für ihn, hört ihm zu, und plötzlich hat er das Gefühl: Das Leben geht weiter, ob mit oder ohne Freundin. Aber auf jeden Fall mit einem guten Freund. So kommt eben Freude auf.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. April 2002 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Ralf Bräuer ist Leiter der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt".