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Aktuell

Von – 1. Oktober 2002

Botschaften statt Kampfgeschrei

Die Wahlplakate sind weggeräumt, an den Laternenpfählen lehnen wieder Fahrräder. Der Wahlkampf ist vorbei, doch die Bürgerinnen und Bürger bleiben umworben. Ohne Slogans und Werbesprüche scheint heute niemand mehr auszukommen, die Wirtschaft sowieso nicht, aber auch nicht die Parteien oder die Kirche. Informiert das? Oder verdummt das?

Ute Pietsch ist Pfarrerin in der Marien gemeinde in Seckbach. Foto: Surrey

Ob Versicherungen, Banken, Fluggesellschaften und Kaufhäuser – alle werben sie um die Gunst und das Geld der Kundinnen und Kunden. Sie werben mit eingängigen Sätzen, kurzen Spots und viel versprechenden Slogans. Und was tut die Kirche in diesem Konzert? In gewisser Weise hat sie den Parteien und Unternehmen einiges voraus. Denn seit Jahrhunderten gibt sie mit Erfolg Sätze weiter, die knapp und schlaglichtartig an die christliche Botschaft erinnern: Wer getauft wird, bekommt einen Taufspruch, zur Konfirmation und zur Hochzeit gibt es einen persönlichen Bibelvers mit auf den Weg. Und die Kirche pflegt die Tradition der Losungen – das sind Sätze aus der Bibel, die wie ein Motto den Tag oder das Jahr begleiten.

Bei vielen Christen liegt auf dem Schreibtisch oder neben der Kaffeetasse das kleine blaue Losungsbuch. Für jeden Tag enthält es einen Satz, einen Gedanken, einen Vers aus der Bibel – oft verkürzend, jedoch einprägsam; manchmal einseitig, aber fass bar. Dieser eine Satz kann mitgehen in den Tag. Herausgelöst aus der großen Weite der biblischen Botschaft begleitet er den Alltag. Er ist nicht das Ganze, sondern eine Facette der Wahrheit und vielleicht ein Fels in der Kompliziertheit des Lebens. Für mich hat es etwas Barmherziges und Menschliches, wenn die biblische Botschaft sozusagen herunter gebrochen werden darf in die Münze des Alltags. Es ist eine Bewegung, die der göttlichen Bewegung folgt, denn Gott selbst löst sich aus der Weite seines Daseins und wird ein konkreter Mensch: Jesus Christus.

In den vergangenen Jahren hat sich die Kirche verstärkt darum bemüht, in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein, auch in Form von Werbekampagnen. Es ist ein wichtiges Anliegen und sehr wünschenswert, dass die Kirche mit den Menschen ins Gespräch kommt. Bei manchen ihrer Kampagnen hätte allerdings auch der Bundespräsident unterschreiben können oder die Bürgerberatung oder die Eintracht Frankfurt – die Kirche war inhaltlich nicht erkennbar.

Sich in der Öffentlichkeit mit einem Slogan zu präsentieren ist immer ein Wagnis. Eine allzu knappe Aussage kann nichtssagend und leer sein oder die Wahrheit verkürzen und dadurch verfälschen. Kirchliche Werbung sollte deshalb bei ihrem Wesentlichen bleiben und die christliche Botschaft authentisch wiedergeben. Das heißt: Die Kirche darf fromm sein. Sonst ist es wirklich nur Werbung, durchschaubar und bald vergessen.

Es gibt gute Beispiele. Der Kirchentag zum Beispiel wirbt mit Sätzen aus der Bibel, wie etwa „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ oder „Ihr seid das Salz der Erde“. Sind das Slogans? Eigentlich nicht. Denn das Wort „Slogan“, das aus dem Gälischen herrührt, bedeutet wörtlich „Kampfgeschrei“. Aber so, mit Kampfgeschrei, lässt sich für die christliche Botschaft gerade nicht werben.

Ein gutes christliches Motto zeigt zwar eine Richtung an, lässt der Leserin und dem Leser aber den Spielraum, sich den Gedanken in dieser oder jener Weise selbst anzueignen. Es lässt auch den Spielraum, sich von der Aussage guten Gewissens zu distanzieren. Es wendet sich mit einem eigenen Standpunkt, aber respektvoll an die Menschen. Gute kirchliche Werbung darf in ihren Mitteln nicht dem Zweck entgegenlaufen.

Das ist auch gar nicht schwer. Denn die Bibel ist voll von plakativen und doch offenen Sätzen, voller weiser, tröstender und herausfordernder Worte. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie steigen morgens schlaftrunken aus der U-Bahn, betreten noch etwas müde die Rolltreppe zum Hauptbahnhof und lesen beim Hinauffahren auf einer Werbewand den Satz: „Du wirst ein Segen sein.“ Und darunter: „Einen guten Tag wünscht Ihnen Ihre Evangelische Kirche.“ Wie wäre das?

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Oktober 2002 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Ute Pietsch ist Pfarrerin in der Marien gemeinde in Seckbach.