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Von – 1. September 2003

Unfreiwillig Single im Alter

Immer mehr alte Menschen sind noch bis ins hohe Alter fit. Aber wenn die Familie und Freunde wegsterben, nimmt die Einsamkeit zu.

Elly Leisner ist 93 Jahre und ganz fit, aber im Alter wird es um sie herum immer einsamer: Der Mann ist lange tot, die Tochter gerade pensioniert und nicht sehr gesund, die 40-jährige Enkelin hat Brustkrebs. Ähnlich geht es ihrer Freundin Grete. Die 95-Jährige verlor vor zehn Jahren Mann, Sohn und Schwiegersohn, die 70-jährige Tochter ist schwer krank. Die Dritte im Bornheimer Seniorenclub hat selbst keine Kinder, ihr Mann ist gestorben. Sie lebt allein in einem kleinen Häuschen in der Nähe der Johanniskirche. Alle drei haben noch Glück, gesundheitlich geht es ihnen einigermaßen, sie sind geistig fit – und sie haben Barbara Hedtmann. Die Gemeindepädagogin der evangelischen Kirchengemeinde Bornheim fühlt sich den Alten nicht nur verpflichtet, sondern verbunden.

Die wachsende Einsamkeit vieler alter Menschen ist gerade in der Großstadt zunehmend ein Problem, auch wenn oder gerade weil sie ihren Haushalt noch ohne allzu viele Probleme führen können. Viele leben ohne Verwandtschaft, Freunde sterben weg, das Alleinsein wird zur Qual. Je älter sie werden, desto größer ist das Risiko völlig allein zu sein. Und wo soll man in diesem Alter neue Freundschaften knüpfen? Die meisten Kulturangebote richten sich an junge Leute, bestenfalls an die „jungen Alten“.

Ein guter Tipp kann da die Kirchengemeinde sein. In den meisten Gemeinden gibt es zum Beispiel Ehrenamtliche, die alte Menschen regelmäßig besuchen, und das nicht nur zum runden Geburtstag. Außerdem werden Fahrdienste zum Gottesdienst oder anderen Veranstaltungen. Und dann sind da natürlich noch die vielen traditionellen Seniorenclubs, die man nach Ansicht von Barbara Hedtmann nicht gering schätzen sollte. Was oft als „Kaffeekränzchen mit Basteln oder Singen“ verlacht werde, habe eine immense Bedeutung für viele unfreiwillige Singles in hohem Alter. Für manche ist es die einzige Möglichkeit, „unter Leute“ zu kommen. Die meist ehrenamtlichen Leiterinnen und Leiter der gemeindlichen Seniorenarbeit sind qualifiziert, im Evangelischen Regionalverband bietet Hedtmann Beratung für die „gemeindliche Arbeit mit älteren Erwachsenen“ an mit Fortbildungen und Workshops für alle, die in den Gemeinden Gesprächskreise, Kreativkurse oder Informationsveranstaltungen für alte Menschen anbieten.

Wichtig sei es auch, die noch jugendlichen und frischen Rentnerinnen und Rentner des dritten Lebensalters zur Hilfe für die einsamen Alten des vierten Lebensalters zu aktivieren, hat Hedtmann erfahren. „Das ist Sinnstiftung für beide Seiten“, weiß die Gemeindepädagogin. „Wenn die Chemie stimmt, können sich daraus noch einmal Freundschaften entwickeln.“ Aber auch, wenn nur einer der „jungen Alten“ einmal in der Woche zum „Mensch-ärgere-dich nicht“-Spiel komme, gelegentlich auf ein Schwätzchen hereinschaue oder mal die Blumen gießt, sei das schon viel, um Einsamkeit im Alter zu mildern. „Da braucht man kein Helfersyndrom, das ist schlicht Nächstenliebe“, betont die Fachfrau. Sind so erst einmal Kontakte geknüpft, gibt das auch mehr Sicherheit: „Da ist immer noch jemand, der merkt, dass jemand plötzlich nicht mehr zur Kirche kommt.“ Dass der Briefkasten nicht geleert ist oder sich seit einiger Zeit nichts mehr hinter der Gardine rührt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. September 2003 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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