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Von – 1. Juli 2004

Urlaub im Paradies

Die sprichwörtlichen „schönsten Wochen des Jahres“ stehen vor der Tür – und die Erwartungen sind dementsprechend hoch. Nichts weniger als das Paradies versprechen Reisebüros ihren urlaubsreifen Kundinnen und Kunden. Da muss alles perfekt sein: die Unterkunft, das Essen, der Strand, die Animation. Wenn nicht, droht Stress. Oder auch nicht? Möglicherweise findet man das Paradies nicht mit Perfektion, sondern mit Gelassenheit.

Heike Seidel-Hoffmann ist Pfarrerin in der Maria-Magdalena-Gemeinde in Sachsenhausen. Foto: Oeser

Welcher Urlaubs-Typ sind Sie? Lieben Sie Extremsport, etwa Wildwasser-Rafting in den wilden Flüssen Kanadas? Sind Sie körper- und gesundheitsbewusst, nehmen Sie also das Hotel mit Wellness-Oase in den Alpen? Mögen Sie es kreativ und gehen zum Seidenmalkurs in die Toskana? Oder suchen Sie etwas Spirituelles und pilgern vielleicht bald auf dem Jakobsweg in Spanien?

Viele Menschen kommen schon bei der Urlaubsplanung unter Druck und sagen sich: Ich will aktiv sein, mich aber auch entspannen. Ich will neue Kraft schöpfen, aber auch auf Entdeckungsreise gehen. Ich will neue Impulse für meinen Alltag, aber nicht an zu Hause denken. Die Ansprüche an den Urlaub wachsen, er soll immer mehr das ausgleichen, was man im Alltag vermisst. Wenn der Job anstrengend ist, die wenige Freizeit nicht ausreicht für alles, was man wichtig findet, man das Leben durch zu viel Stress kaum noch genießen kann, dann muss der Urlaub alle diese Defizite ausgleichen.

Dabei werden die Erwartungen an den Urlaub leicht irrational. „Kommen Sie ins Urlaubs paradies“, so werben viele Reiseunternehmen. Viele wünschen sich nicht nur einfach „Urlaub“, sondern „Traumurlaub“. Darin drückt sich eine tiefe menschliche Sehnsucht aus. Die Bibel erzählt davon. Adam und Eva leben glücklich im Garten Eden. Sie haben ein Leben ohne Arbeit und Mühen, sie sind nahe bei Gott und geborgen in der Einheit des Lebens. Genau das wollen viele Menschen im Urlaub auch. Die All-inclusive-Angebote suggerieren dieses paradiesische Leben in Fülle.

Doch die Realität sieht leider anders aus. Das All-inclusive-Angebot wird zum Dauerstress. Das Essen ist toll, aber man isst den ganzen Tag. Die Animation ist interessant, aber man wird die halbe Nacht vom Lärm gestört. Die Leute sind eigentlich ganz nett, aber der Smalltalk wird anstrengend. Vielleicht ist das ganze Urlaubmachen nur Illusion. Vielleicht ist es so: Das Leben geht ganz normal weiter, nur an einem anderen Ort und unter anderen Bedingungen.

Die Bibel kennt keinen Urlaub. Als freie Zeit gibt es nur den Sabbat, den Tag, an dem sogar Gott selbst ruhte. In sechs „Arbeitstagen“ schuf Gott die Welt und am siebten Tag ruhte er, so steht es im ersten Buch Mose. Der Sabbat ist ein heiliger Tag, an dem alle von der Last des Alltags befreit sind, sogar Sklaven und Arbeitstiere. Es ist ein Tag für die Seele. Außer Gott loben tut man an diesem Tag eigentlich nichts. Man erwartet nichts, hat nichts vor, hat nichts geplant.

Der Sabbat ist das Vorbild für den christlichen Sonntag. In früheren Zeiten waren Leben und Arbeiten eine Einheit, und es gab nur den Sonntag als einen freien Tag in der Woche und daneben die christlichen Feiertage. Die Feiertage haben sich ausgedehnt und sind Ferien geworden. Vielleicht können wir mit der Bedeutung des Sabbats und des religiösen Festtages den Urlaub von allzu hohen Erwartungen entlasten und ihn einfach als Freiraum für die Seele begreifen.

Sabbat-Zeit hieße dann, diesen Freiraum als eine Zeit zu leben, in der man sich überraschen lässt und das Loslassen übt. In religiöser Hinsicht heißt dies, die Zeit Gott überlassen. Genau das kann man sich im hart durchorganisierten Alltag ja kaum leisten. Wenden wir dies auf die urlaubs-alltäglichen Details an, so kann es sogar bedeuten: Wenn das Essen im Hotel schlecht ist, eine Fastenkur machen, wenn Lärm die Nacht zum Tage macht, mitfeiern, wenn es regnet, das Bett auch tagsüber genießen. Jeden Tag aus Gottes Hand annehmen, sich im Nicht ärgern üben und einfach mal Ruhe geben.

Dann kann man etwas aus den Ferien mitbringen, das kein Souvenir schafft: den Geschmack des Paradieses, trotz aller Widrigkeiten dieser Welt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Juli 2004 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Heike Seidel-Hoffmann ist Pfarrerin in der Maria-Magdalena-Gemeinde in Sachsenhausen.