Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 1. März 2005

Wenn’s mit dem Lesen und Schreiben nicht klappt

Der achtjährige Oskar möchte nicht mehr in die Schule gehen. Nachts schläft er schlecht, morgens klagt er über Bauchschmerzen. Seine Hausaufgaben macht der Drittklässler nur, wenn seine Mutter neben ihm sitzt. Er hat große Schwierigkeiten beim Schreiben und Lesen: Buchstaben, Silben und Wörter geraten ihm durcheinander.

Oskars Mutter ist verzweifelt. Einmal hat die Lehrerin angedeutet, es könnte vielleicht Legasthenie sein. Schließlich schickt der Kinderarzt Mutter und Sohn in das evangelische Zentrum für Beratung und Therapie im Haus am Weißen Stein in Eschersheim. Dort gibt es Psychologinnen, die eine eventuelle „Teilleistungsstörung“ – so der Fachjargon – diagnostizieren können. Nach zwei ausführlichen Gesprächen mit Oskars Mutter und drei testpsychologischen Sitzungen mit Oskar selbst stellt sich heraus, dass der Junge tatsächlich eine Lese- und Rechtschreibschwäche hat. Diese ist, wie der Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie (Rechenschwäche) definiert, „nicht auf mangelnde Beschulung, niedrige Intelligenz oder fehlende Lernbereitschaft“ zurückzuführen. Über die Ursachen ist die Forschung noch nicht schlüssig: Genetisch bedingte visuelle oder akustische Wahrnehmungsstörungen spielen aber wohl eine Rolle. „Allein die Diagnose ist für Eltern und Kind erst mal eine große Erleichterung“, erklärt die Psychologin Barbara Frohnhöfer vom Beratungszentrum. „Kindern wie Os­ kar kann man klarmachen, dass sie für ihr Scheitern in der Schule nichts können – sie leiden ja sehr darunter. Und die Eltern wissen dann, dass sie bei der Erziehung nichts falsch gemacht haben.“

Laut Bundesverband sind Legasthenie und Dyskalkulie nicht heilbar. Aber gezielte Therapie und Förderung können helfen, sehr gut mit diesen Lernbehinderungen umzugehen – besonders, wenn sie in den ersten Schuljahren erkannt werden. Oskars Mutter hat es seither aufgegeben, „ganz viel“ mit ihrem Sohn zu üben. Stattdessen lobt sie ihn für jede fünf Minuten Lesen. Und sie freut sich über den Legasthenie-Erlass Hessens, der festlegt, dass Diktate und Rechtschreibung bis zum 10. Schuljahr nicht benotet werden dürfen. Oskar geht es wieder besser.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. März 2005 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".