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Aktuell

Von – 1. Dezember 2005

Gott macht alles neu

Vieles, was sich neu nennt, ist schon mal da gewesen; oft wird Altes nur frisch aufbereitet und präsentiert sich in neuem Gewand. Wirklich Neues bringt hingegen die Weihnachtsbotschaft von der Geburt Jesu, weil sie die altbekannten Hierarchien umwirft, weil sie gleichzeitig so alltäglich und doch so wunderbar ist: Gott ist Mensch geworden, mitten unter uns!

Alexander Brodt ist Pfarrer in Eckenheim. Foto: Oeser

Die Vorweihnachtszeit ist immer auch die Zeit der Werbung. Und kaum eine Werbung kommt ohne das Wort „neu“ aus: Ein „neues“ Auto, mit noch mehr serienmäßigen Extras versehen, eine „neue“ Musik- und Hifi-Anlage, mit allem Komfort, den man sich nur denken und wünschen kann, ein „neues“ Waschmittel, das noch weißer und porentief reiner wäscht als seine Vorgänger. Und so weiter und so weiter. Überall begegnet uns das Wort „neu“ und versucht zu locken, zu werben und zum Kauf zu verführen.

Aber da gab es ja auch noch diese andere Werbung: In der U-Bahn treffen sich zwei wildfremde Menschen. Sagt die erste Person: „Schicker Pullover, ist der neu?“ Antwortet die zweite, indem sie scheinbar aus dem Nichts eine Packung Waschpulver hervorzaubert und der ersten unter die Nase und zu uns in die Kamera hält: „Nee, mit Perwoll gewaschen!“

Wie mit Perwoll gewaschen – so kommt mir auch ein Großteil des vermeintlich Neuen vor, das überall angepriesen wird. Bei genauem Hinsehen ist es nämlich doch nicht wirklich neu, ist alles schon einmal da gewesen, nur in ein neues Gewand gekleidet: Das superneue Auto hat vielleicht ein paar Extras mehr, aber mehr als fahren kann es schließlich auch nicht. Die Musik aus der Hifi-Anlage klingt nett, aber, sind wir mal ehrlich: So groß ist der Unterschied zum Klang der alten auch nicht. Und das als neu angepriesene Waschmittel wäscht den blauen Schimmer aus der weißen Strickjacke, den eine mitgewaschene Socke hinterlassen hat, auch nicht raus.

Alle Jahre wieder, wie mit Perwoll gewaschen sozusagen, kommt auf den ersten Blick auch Weihnachten auf uns zu: Altes und Wohlbekanntes, das jedes Jahr ein bisschen anders aufbereitet wird, Schönes und Wohlvertrautes begegnet uns neben Nervigem und purem Stress. Jede und jeder hat wohl so die eigenen Erfahrungen und Empfindungen zu diesem Fest der Liebe und des Friedens.

Die Weihnachtsbotschaft dagegen bringt wirklich etwas ganz und gar Neues – auch wenn das alle Jahre wieder in Erinnerung gerufen wird. Gott ist ein Mensch geworden! Gott ist nicht weit weg im Himmel oder im Weltall. Nicht irgendwo in der Natur oder in besonderen Erlebnissen und Genüssen ist Gott zu finden, sondern er begegnet uns im Menschen selbst. Der alte Graben zwischen dem Göttlichen und Heiligen einerseits und dem Menschlichen und Alltäglichen andererseits ist damit überwunden. „Siehe, ich mache alles neu“ heißt es im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes (Kapitel 21, Vers 5). Gott ist es, durch den das Neue in die Welt kommt. Aber nicht mit spektakulärer Zauberei, sondern durch etwas ganz Alltägliches: Ein Mensch wird geboren, und damit geschieht etwas Einmaliges und Wunderbares. Die Entfernung des Menschen von Gott ist aufgehoben, denn Gott ist mitten unter uns, in die Welt hinein geboren, ein Mensch, wie wir.

Nichts ist damit mehr, wie es einmal war. Die alten Gegensätze – Göttliches und Menschliches, oben und unten – gibt es nicht mehr. Die Weihnachtsbotschaft verändert den Blick auf die Mitmenschen. Denn wenn Gott uns in einem Menschen begegnet, dann müssen auch wir keine Unterschiede mehr machen zwischen denen, die oben stehen und denen unten. Dann muss ich niemandem etwas vorspielen und mich als besonders toll verkaufen. Dann brauche ich auch mir nichts vorspielen zu lassen, und alle falschen Abstände und Kategorien zwischen den Menschen verschwinden.

Gott kommt uns menschlich in einem „Du“ entgegen. Das bedeutet auch: Er braucht keine Mittler mehr, die zwischen ihm und den Menschen eine Verbindung herstellen – Papst, Kanzlerin, Pfarrer, Hausfrau, wir alle stehen auf einer Stufe. Das ist wirklich so neu, dass wir es uns jedes Jahr und immer wieder in Erinnerung rufen dürfen: Mit Jesu Geburt überwindet Gott alle Schranken und begegnet uns auf gleicher Augenhöhe als Mensch. Gott ist mitten unter uns!

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Dezember 2005 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Alexander Brodt ist Pfarrer in Eckenheim.