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Von – 1. April 2006

„Tatmotiv Ehre“: Wo Mädchen Hilfe finden

Die 20-jährige Gönül K. aus Wiesbaden wurde 2005 von ihrem Bruder erschossen, weil die Familie ihre Freundschaft zu einem deutschen Mann als „Verletzung ihrer Ehre“ empfand. Das ist der jüngste von drei Ehrenmorden, die geschehenen sind in Hessen in den vergangenen zehn Jahren.
Solche Extremfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. In einem „Submilieu innerhalb der Migranten“, wie der türkische Sozialpädagoge Achmed Toprak es formuliert, genügt es, wenn junge Frauen im falschen Moment lächeln, um mit einem älteren Mann aus ihrem Herkunftsland, oft als Zweitfrau, zwangverheiratet zu werden. Manchmal reicht auch schon eine Telefonnummer auf dem Handy, die nicht zugeordnet werden kann. Aus Scham über diese angebliche Beschmutzung der Familienehre hat ein junges Mädchen versucht, sich umzubringen, berichtet Parvaneh Ghorishi, die in Frankfurt im evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie mit traumatisierten Flüchtlingen arbeitet.

Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs 2004 gilt zumindest in Deutschland bei Ehrenmord nicht mehr der strafmildernde Umstand „andere kulturelle Wertvorstellungen“: Auf Mord steht lebenslange Haft. Auf eine Bundesratsinitiative hin wird außerdem in den nächsten Monaten ein Gesetz gegen Zwangsheirat im Bundestag diskutiert.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, die zusammen mit der evangelischen Kirche im März Ausstellungen und Diskussionen zum Thema „Tatmotiv Ehre“ in Frankfurt organisiert hat, setzt nicht nur auf Sanktionen, sondern auch auf Aufklärung. Mädchen und Frauen aus patriarchalen Familienstrukturen sollen vor allem wissen, dass es spezifische Beratungsstellen und anonyme Zufluchtsstätten für sie gibt. „Die Trennung von der Familie ist trotz allem ein sehr großer Schritt“, sagt Angelika Bürkner von der Städtegruppe Rhein-Main. „Aber allein das Wissen um Schutzzonen stärkt den Mädchen den Rücken in Auseinandersetzungen mit der Familie.“

Hilfe gibt es beim Evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie in Frankfurt, Telefon 530 2154, Terre des Femmes in Tübingen berät bundesweit unter Telefon 07071-79730.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. April 2006 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".