Im Oktober tritt Gabriele Scherle ihr Amt als Pröpstin an
Die Wände strahlen bereits in frisch gestrichenem Weiß, die evangelische Propstei in der Nähe des Römers wartet auf die neue Chefin: Am 1. Oktober wird Gabriele Scherle hier die Nachfolge von Helga Trösken als Pröpstin für Rhein-Main antreten.
Die 54 Jahre alte Theologin ist schon jetzt voller Tatendrang. Als Vertreterin des Leitenden Geistlichen Amtes der Landeskirche von Hessen und Nassau ist sie für die Region Frankfurt, Offenbach, Rüsselsheim, Dreieich und Rodgau zuständig. Ingesamt 140 Gemeinden mit rund 350000 Evangelischen gehören zu diesem Gebiet. Als Pröpstin wird Scherle zum Beispiel neue Pfarrerinnen und Pfarrer ordinieren, die Gemeinden in theologischen Fragen begleiten, aber auch die Kirche nach außen repräsentieren und christliche Positionen in der Öffentlichkeit vertreten.
So eine Karriere hätte sich Scherle früher nicht träumen lassen. Fromm war sie zwar schon immer – ihre Mutter sei „sehr protestantisch“ gewesen – aber Akademiker gab es in ihrer Familie keine. „Eigentlich habe ich gedacht, ich heirate mal einen Pfarrer“, erzählt sie. „Dass ich selbst mal Theologie studieren könnte, kam mir als Jugendliche gar nicht in den Sinn.“ Tatsächlich wurde Scherle zunächst Finanzbeamtin und später Sozialarbeiterin, bevor sie mit 28 Jahren dann doch Theologie studierte. In Berlin diskutierte sie mit dem politisch engagierten Theologen Helmut Gollwitzer ihre Examensthemen. Von dem profilierten Nazi-Gegner habe sie gelernt, „dass der Glaube Konsequenzen haben muss“.
„Die Kirche muss prophetisch sein, das heißt aber nicht, dass sie zu allem etwas sagen muss“, meint Scherle. Vor allem freut sie sich darauf, als Pröpstin für die Kirche werben zu können: „Wir machen tolle Arbeit, das Christentum ist eine klasse Religion.“
Jetzt steht erst einmal der Umzug nach Frankfurt an. Zwar hat Scherle als Friedenspfarrerin schon einmal fünf Jahre in der Mainmetropole gearbeitet, gewohnt hat sie aber in Herborn, wo ihr Mann als Professor am Theologischen Seminar unterrichtet. „Wir haben vereinbart, dass wir uns immer abwechselnd wegen der Arbeit hinterher ziehen, und jetzt ist er dran. Wir haben aber beide große Lust auf urbanes Leben.“