Unter dem Motto: „Kirche der Freiheit“ hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ein Impulspapier vorgelegt. Unter anderem wird darin vorgeschlagen, die Kirchenstrukturen an heutige Gegebenheiten anzupassen.
Ähnlich wie in der Politik ist der Aufbau der evangelischen Kirche in Deutschland mit ihren 26 Millionen Mitgliedern föderal. Doch die „Kirchenländer“ sind viel zahlreicher als die Bundesländer (nämlich 23) und höchst unterschiedlich: Die kleinste deutsche Landeskirche, Anhalt, hat gerade mal 55000 Mitglieder, während die größte, Hannover, über 3 Millionen zählt.
Während die politischen Bundesländer nach 1945 neu organisiert wurden, sind die Grenzen der evangelischen Landeskirchen noch heute weitgehend deckungsgleich mit den alten Ländern des deutschen Kaiserreichs. So umfasst die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ziemlich genau das Gebiet der früheren Herzogtümer Nassau und Hessen sowie der freien Reichsstadt Frankfurt. Mit dem Bundesland Hessen hat das nicht viel zu tun: Ganz Nordhessen gehört zur Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, während im Südwesten große Teile des „hessischen“ Kirchengebietes politisch zu Rheinland-Pfalz gehören, und das nördlichste Zipfelchen liegt in Nordrhein-Westfalen.
Das hat mancherorts merkwürdige Folgen: Bergen-Enkheim etwa gehört kirchlicherseits zur Landeskirche Kurhessen-Waldeck, während alle anderen Frankfurter Gemeinden zu Hessen und Nassau gehören. Deshalb ist die dortige Gemeinde nicht im Frankfurter Kirchenparlament vertreten und fehlt auch sonst bei gesamtstädtischen Projekten. Wer in Bergen-Enkheim wohnt, bekommt auch das „Evangelische Frankfurt“ nicht zugeschickt, die Adressen sind im Evangelischen Regionalverband Frankfurt schlicht nicht bekannt.
Für das normale Gemeindeleben spielt das kaum eine Rolle. Auf kirchenpolitischer Ebene hingegen sind die Strukturen schon relevant. So verhandeln bei der Landesregierung in Wiesbaden Vertreter zweier Kirchen über Zuschüsse, etwa für Kindergärten. Schon seit einigen Jahren gibt es deshalb Bemühungen um eine stärkere Kooperation. Im Herbst wollen die beiden Synoden konkrete Eckpunkte beraten.
Eine regelrechte Fusion ist derzeit zwar nicht geplant, denn mit knapp 1 Million und 1,8 Millionen Mitgliedern sind Kurhessen-Waldeck und Hessen und Nassau relativ groß. Doch wer weiß, vielleicht könnte es im Zuge der Reformdebatten irgendwann zu „Grenzkorrekturen“ kommen. Dass so etwas durchaus möglich ist, bewies der Kirchenkreis Hamburg-Harburg: Ursprünglich auch zu einer anderen Landeskirche gehörend als der Rest von Hamburg, hat er 1977 einfach die Landeskirche gewechselt.