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1. Mai 2007

Arien mit betörender Frische

p(einleitung). Thomaskirche: Rarität von Telemann glänzend zu Gehör gebracht

Es dürfte wohl durchaus nicht allen Musikfreunden geläufig sein, dass das Werk des zwischen Spätbarock und Frühklassik changierenden Georg Philipp Telemann zu den üppigsten der Literatur gehört: Das Oeuvre Telemanns, der von 1712 an auch einige Jahre als städtischer Kirchenmusikdirektor in Frankfurt wirkte, ist umfangreicher als das seiner Zeit­ genossen Händel und Bach zusammen.

So hat die Qual der Wahl, wer sich mit der Einstudierung eines davon beschäftigen will. Das Oratorium „Der Tag des Gerichts“, ein „Singgedicht in vier Betrachtungen“ nach Texten von Christian Wilhelm Alers, ist schon eine echte Rarität, die man im Frankfurter Musikleben nur sehr selten hört. Nun führte die Thomaskantorei Frankfurt, begleitet vom Kantatenorchester St. Thomas, das 1762 uraufgeführte Alterswerk Telemanns in der Thomaskirche zu Heddernheim auf.

In vier literarisch anspruchsvollen Teilen spannen Komponist und Dichter den Bogen von einer theologischen Disputation allegorischer Figuren wie Unglaube, Vernunft, Spötter und Religion über den Weltuntergang und das Weltgericht zum hymnischen Lobgesang einer himmlischen Liturgie. Es gelang den Gesangssolistinnen und -solisten vortrefflich, den jeweiligen Stimmungscharakter adäquat herauszuarbeiten. Allen voran dem Bassisten Wolfgang Weiß, der mit profunder Ausgestaltung seiner Partie bei gleichzeitig elastischer Stimmführung in Arien und Rezitativen überzeugte.

Nachdem Kantor Ernst-Wilhelm Schuchhardt, der die Gesamtleitung hatte, am Dirigierpult klangschön die instrumentale Einleitung mit seinem Klangkörper bei sorgfältig langsam gewählten Tempi ausgestaltet hatte, zogen alle Mitwirkenden zielstrebig klanglich an einem Strang. Sehr schön die Continuobegleitung bei den Arien, konzentriert die Tutti-Passagen in den Chor-Partien. Dann sang die Sopranistin Laurie Reviol mit weit ausholendem Gestus und langem Atem ihren Part, während Mechthild Seitz’ dunkel timbrierter Alt ihrer allegorischen Figur der Vernunft, mit viel Emphase ausgestaltet, gut zu Gesichte stand. Allein dem jungen Tenor Henning Kothe hätte man etwas mehr Ausdruckskraft und Stabilität gewünscht.

Die insgesamt hervorragende Telemann-Interpretation und das hohe Niveau des der historischen Aufführungspraxis verpflichteten Vortrags sollte dieser Umstand jedoch nicht schmälern. Die meisten Arien verströmen nämlich eine betörende Frische. Wie überhaupt alle vier Solisten gestalterisch höchst expressiv zu Werke gingen und auch mit phantasievollen Verzierungen ihre Stilsicherheit hinsichtlich barocker Klangrede unter Beweis stellten.

p(autor). Joachim Schreiner

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Mai 2007 in der Rubrik Kultur, erschienen in der Ausgabe .

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